Er sagt wunderbare Sätze wie: «Kunst ist zärtlich.» Gleichzeitig provoziert er sein Publikum mit Exkrementen in einer Bata-Schuhschachtel, um seine Haltung zum Kunstkommerz zu dokumentieren. Das ist der 41-jährige Tscheche Kristof Kintera, dessen Werk nun im Basler Museum Tinguely zu sehen sein wird. Kintera war in seiner Heimat ein Enfant terrible und gehört heute zum kulturellen Establishment. Das tschechische Radio propagiert ihn gar als «unseren Damien Hirst». Das mag ein bisschen weit hergeholt sein, zeigt aber die Wertschätzung Kinteras in seiner Heimat.
Mahnmal in Prag
In Basel provoziert er zwar nicht mit menschlichen Ausscheidungen. Dennoch ist sein Auftritt beachtlich. So zeigt der Künstler mit der Installation «My Light Is Your Life» eine überbelichtete Skulptur aus Glühbirnen und Spotscheinwerfern, die Helligkeit und Wärme produziert. Jean Tinguely hätte an diesem Werk wörtlich seine helle Freude gehabt.
In Prag erregte Kintera vor drei Jahren mit einer Installation der speziellen Art die Gemüter: Er verformte eine konventionelle Strassenlaterne zu einem schwanenartigen Gebilde, das nun in den Himmel leuchtet. Die Licht-Installation steht neben der Nusle Brücke in Prag, einer gigantischen, architektonisch ansprechenden Brücke aus kommunistischer Zeit. Kinteras Werk trägt den Namen «Of One’s Own Oblivion» und ist ein Memento mori. Es erinnert an die rund 300 Lebensmüden, die in der Vergangenheit von dieser Brücke sprangen; heute verhindern Gitter weitere Suizide. Kintera hat das Drama der Selbstmorde in seiner Kindheit selbst mitbekommen, weil er in der Nähe der Brücke aufgewachsen ist.
Politischer Künstler
Der Tscheche versteht sich als politischer Künstler. Er schätzt zwar die bürgerlichen Freiheiten in seinem Land, sagt aber, früher sei es einfacher gewesen, sich mit politischen Gegnern auseinanderzusetzen: «Damals war der Feind klar fassbar, heute ist er irgendwie überall», sagt er. Kintera sieht auch die Grenzen der Kunst: «Sie kann die Gesellschaft nicht verändern und schon gar keine Revolution provozieren.» Denn Kunst dürfe auf den ersten Blick Nonsense sein, oft erschliesse sich dem Betrachter die Aussage eines Werks erst nach einer Weile. Zum Beispiel, wenn eine Installation von Kintera aus einem Heimwerkerbohrer besteht, der Sex mit einem Staubsauger hat. Zuerst wirkt das ziemlich absurd, aber vielleicht will sich Kintera damit auf etwas eigenwillige Weise mit traditionellen Geschlechterrollen auseinandersetzen.
Aber: Der Bohrer/Staubsauger-Sex ist nun kaum «zärtlich» zu verstehen. Dieser Einwand leuchtet Kintera ein, und er sagt in einem Radiogespräch: «Also, manchmal muss die Kunst einfach grob sein.»
Kristof Kintera. I Am Not You
Mi, 11.6.–So, 28.9.
Museum Tinguely Basel