«Hedda Gabler» Der Blick hinter die Fassade
Henrik Ibsen zeigte 1891 in «Hedda Gabler» die Abgründe bürgerlichen Lebens. Das Stadttheater Bern bringt das zeitlose Stück auf die Bühne.
Inhalt
Kulturtipp 07/2011
Claudine Gaibrois
Das frisch vermählte Ehepaar Hedda und Jörgen Tesman kehrt von seiner Hochzeitsreise zurück und bezieht seine teure Villa. Doch von trautem Eheglück keine Spur: Generalstochter Hedda langweilt sich zu Tode; die Biederkeit des kleinbürgerlichen Jörgen stösst sie ab. Und doch hat sie mit der Heirat auf die sichere Karte gesetzt – auch wenn sie sich vom labilen Lövborg viel stärker angezogen fühlte. «Ich bin feige», gesteht sie ...
Das frisch vermählte Ehepaar Hedda und Jörgen Tesman kehrt von seiner Hochzeitsreise zurück und bezieht seine teure Villa. Doch von trautem Eheglück keine Spur: Generalstochter Hedda langweilt sich zu Tode; die Biederkeit des kleinbürgerlichen Jörgen stösst sie ab. Und doch hat sie mit der Heirat auf die sichere Karte gesetzt – auch wenn sie sich vom labilen Lövborg viel stärker angezogen fühlte. «Ich bin feige», gesteht sie diesem. Auch der Aufsteiger Jörgen hat sich nicht aus purer Liebe für die Frau aus gutem Haus entschieden: Sie verschafft ihm Zugang zur besseren Gesellschaft.
«Die Figuren sind allesamt Egoisten und Einzelkämpfer – egal, ob der Wunsch nach finanzieller Sicherheit, Karrierestreben oder Langeweile ihr Leben prägt», meint Regisseurin Antje Thoms. Niemand finde bei Autor Henrik Ibsen Gnade – auch nicht, wer sich für andere aufopfere wie etwa Jörgen Tesmans alte Tante. «Ich brauche doch auch jemanden, für den ich sorgen kann», sagt die Dame im Stück einmal.
Nach wie vor aktuell
Nebst Egoismus und Einzelkämpfertum beschäftige auch die Frage nach dem (funktionierenden) Zusammenleben heute noch, findet Thoms. «Beides macht das Stück so modern.» Es durch eine radikale Inszenierung zu aktualisieren, sei daher unnötig. Die Regisseurin beschränkt sich darauf, die Handlung in ein zeitgenössisches Wohnzimmer zu verlegen und auf altmodische Kostüme zu verzichten.
Die Lebenslügen des Bürgertums waren das grosse Thema des norwegischen Dramatikers Ibsen. «Hedda Gabler», eines seiner späten Stücke, fiel diesbezüglich «sehr bösartig» aus, findet Thoms. «Ibsen urteilt über keines der beschriebenen Lebensmodelle. Aber das Stück endet völlig offen,
es gibt keine Lösung.» Zwar schafft es Hedda, zumindest einmal in ihrem Leben einen klaren Entscheid zu fällen. Doch sie hinterlässt dabei eine Spur der Verwüstung.