«Hauptsache Arbeit!» Auf dem sinkenden Schiff
Einen Job gibts nur gegen einen hohen Preis: Das Stadttheater Bern zeigt Sibylle Bergs Groteske übers Arbeitsleben.
Inhalt
Kulturtipp 19/2011
Claudine Gaibrois
Der alljährliche Betriebsausflug war für manche schon immer mehr Pflicht als Vergnügen. Aber immerhin gabs kostenlos Speis und Trank und einen Tag Pause vom Bürostress. Dieses Mal endet der Anlass jedoch für alle im Desaster, aus der netten Schifffahrt wird ein Kampf ums Überleben. Denn, so verkündet der Chef auf dem Tanzdeck des Dampfers, es stehen Entlassungen an. Wer also bleiben will, muss Einsatz zeigen. Was das heisst, sollen die Angestellten auf dem v...
Der alljährliche Betriebsausflug war für manche schon immer mehr Pflicht als Vergnügen. Aber immerhin gabs kostenlos Speis und Trank und einen Tag Pause vom Bürostress. Dieses Mal endet der Anlass jedoch für alle im Desaster, aus der netten Schifffahrt wird ein Kampf ums Überleben. Denn, so verkündet der Chef auf dem Tanzdeck des Dampfers, es stehen Entlassungen an. Wer also bleiben will, muss Einsatz zeigen. Was das heisst, sollen die Angestellten auf dem vermeintlich harmlosen Ausflug lernen – von einer Ratte, die als Motivationstrainer verkleidet ist. Unter deren Anleitung werden paardynamische Spiele gemacht, intime Beichten abgelegt und Vorträge zum Thema «Ich danke meiner Firma» gehalten.
Abbild der Gesellschaft
Autorin Sibylle Berg zeige in «Hauptsache Arbeit!» eine «zugespitzte, auf eine extreme Situation fokussierte» Auseinandersetzung mit der modernen Arbeitswelt, sagt Regisseurin Antje Thoms. «Das Stück dreht sich vor allem um die Absurdität, dass sich der Mensch in unserer Gesellschaft hauptsächlich über seine Arbeit definiert.» Wachsender Leistungsdruck, verschlechterte Arbeitsbedingungen, zigfaches Arbeitspensum – aus Angst vor der Arbeitslosigkeit werde alles stillschweigend hingenommen.
Wer an diesen Zuständen schuld ist, steht für Thoms nicht im Vordergrund. Die Inszenierung soll nicht die Klischees vom «bösen Chef», der «immer lustigen Betriebsnudel» oder der «übereifrigen Gewerkschafterin» bedienen. Die Regisseurin möchte vielmehr «ein Abbild einer übermüdeten Gesellschaft zeigen, die in ihrer Angstneurose erstarrt ist». Im Zentrum stehen «die Einsamkeit des Einzelnen, die Angst vor den Anforderungen, Gruppenzwänge, das Aufrechterhalten von Fassaden». Alles absolut hoffnungslos also – «wäre da nicht gleichzeitig Sibylle Bergs böser Humor».