Wer in den 70ern und 80ern jung war, wird beim Lesen dieses Buchs einige Wiedererkennungseffekte erleben: Von The Who bis «La Boum», die Musik und Filme der damaligen Zeit geben den Rhythmus der ersten Romanhälfte vor. 

Harry Kämmerers Protagonist Hans wächst wohlbehütet in Bayern auf, entdeckt als Teenie die Liebe zur Musik – und zur französischen Austauschschülerin. Für Platten gibt er all sein Geld aus, etwa für den neusten Wurf seines Helden Bruce Springsteen. Mit seinem Freund Ecki hat er als Vorband am Schulfest einen ersten äus­serst skurrilen Auftritt. 

Der Münchner Autor mit Jahrgang 1967 schildert Hans’ Jugendzeit mit Nostalgie und Sinnlichkeit: Das Knistern der Schallplatten, der Duft von Sonnenmilch auf Giselles Haut. Authentisch und witzig ist auch der Rückblick auf Hans’ Austauschjahr in Ir­land, seine Schreibversuche als ­Schmalzgeschichten-Erzähler für die Zeitschrift «Echte Liebe» und auf der Poetry-Bühne. 

Allzu gerafft erscheint dann sein Erwachsenenleben: erster Job, Ehe, Kinder. Unvermittelt schlägt Kämmerer den Bogen zurück, als sich Hans mit fast 50 an einen «dunklen Fleck» aus seiner Kindheit erinnert. Der gleichaltrige Maxi verschwand damals spurlos, und Hans hat plötzlich Gewissensbisse. Kämmerer, der sich bisher vor allem mit Krimis einen Namen gemacht hat, setzt damit einen Spannungsbogen, der etwas konstruiert wirkt. Ansonsten überzeugt er mit ­einer humorvollen, süffig geschriebenen Geschichte.

Buch
Harry Kämmerer
Drachenfliegen
224 Seiten
(Nagel & Kimche 2019)