Gottlob Bernhard aus Stuttgart machte als Vergolder ein kleines Vermögen. Er war ein wohlhabender Mann, der es zu etwas gebracht hat. So konnte er sich 1850 ein Porträt des Zürcher Malers Hans Jakob Oeri (1782– 1868) leisten. Dieser war damals auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, ein Jahr später erhielt er mit anderen Künstlern einen Auftrag der öffentlichen Hand für die Gestaltung der Festhütte, die zur 500-Jahr-Feier des Beitritts der Kantons Zürich zur Eidgenossenschaft gebaut wurde.
Das Gesicht allein zählt
Das von Oeri gemalte Porträt hängt in einer neuen Ausstellung des Zürcher Kunsthauses. Sie erinnert an einen jener Schweizer Künstler, die Anfang des 19. Jahrhunderts Europa bereisten und dank neuer Impulse das hiesige Kulturleben prägten. Oeri erlebte zwar gesellschaftliche Anerkennung. Aber reich machte ihn seine Kunst nicht, auch wenn sich Gottlob Bernhard bei der Entschädigung für dieses Gemälde grosszügig gezeigt haben sollte. Die Ausstellung versammelt nun 60 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken. Sie belegt die Vielfalt seiner Techniken und die Verschiedenartigkeit seiner Ausdrucksformen.
Der Maler konzentrierte sich mit Sorgfalt auf die Erscheinung seiner Porträtierten. Man spürt sein Bemühen, diese Menschen dem Betrachter mit feinen Strichen näher zu bringen, damit er seine Persönlichkeit verstehen oder gar durchschauen kann. Oeri verzichtet auf symbolhafte Ausschmückungen, um seine Porträtierten in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen oder ihre Biografie anzudeuten, wie das damals verbreitet war. Das Gesicht allein zählte für den Künstler.
Oeri wuchs als Pfarrerssohn in der Zürcher Gemeinde Kyburg auf. Die Eltern unterstützten seine Leidenschaft für die Kunst, er ging bei einem Winterthurer Landschaftsmaler in eine Lehre. Prägend für den Jugendlichen war eine Reise mit dem Porträtisten David Sulzer nach Paris, wo Oeri vier Jahre lang blieb und das Handwerk lernte.
Hang zum Idealisieren
Sein Lehrer war Jacques Louis David, eine illustre Figur der Französischen Revolution. Als Jakobiner stand er Robespierre nahe, was ihn fast das Leben kostete. Doch seine breite Anhängerschaft konnte ihn vor der Guillotine bewahren, nachdem er zum Tode verurteilt war.
Als David den jungen Oeri kennenlernte, waren diese blutigen Tage indes Geschichte. Das Gemälde «Das Pariser Atelier» von 1807 zeigt eine entspannte, freundschaftliche Stimmung unter den Anwesenden. Der Betrachter hat den Eindruck, dass diese vier jungen Männer einander mit Rat und Tat beistanden, auch wenn das Interieur etwas ärmlich wirkt. Allerdings hatte der Künstler Oeri einen Hang, die Verhältnisse zu idealisieren. Gut möglich, dass er «Das Pariser Atelier» als eine Art Werbung für das künstlerische Handwerk verstanden hatte.
Aber die Zeiten blieben unruhig, als Oeri in Paris lebte. Der Aufstieg und die Expansionskriege Napoleons prägten das politische Tagesgeschehen. Dennoch ist Hans Jakob Oeri nicht als Aktivist aufgetreten, auch wenn ihn die Ereignisse einholen sollten. Sein Talent brachte ihn später nach Moskau. Dort lebte er drei Jahre lang bis zum Beginn des Russlandfeldzugs 1812, als er zurück in die Schweiz fliehen musste.
Patriotische Variante
Wie viele Künstler seiner Zeit wandte sich Oeri in Auftragsarbeiten historischen Ereignissen zu, die propagandistisch ausgeschlachtet wurden. So malten er und seine Kollegen Johann Conrad Zeller sowie der «Gotthardpost»-Künstler Rudolf Koller die Rückkehr der Zürcher Soldaten nach der Schlacht bei Dättwil in den Weihnachtstagen, fünf Jahrhunderte zuvor. Die Zürcher schlugen sich 1351 in der Gegend von Baden die Köpfe mit den Habsburgern wund – und siegten. Die Habsburger missgönnten ihnen in diesem Krieg die Beute, welche die Zürcher zuvor auf Raubzügen in der Umgebung gemacht hatten. Oeri und seine Kollegen verzichteten allerdings auf eine kritische Sichtweise der Geschehnisse. Sie wählten eine patriotische Variante mit der menschlichen Zuwendung, welche die zurückgekehrten Zürcher Helden genossen.
Hans Jakob Oeri – Ein Schweizer Künstler in Paris, Moskau, Zürich
Fr, 12.8.–So, 23.10. Kunsthaus Zürich