Oper ist für Sergio Fontana das Leben. Er hat zu ihrer Popularität in der Schweiz mehr beigetragen als die Operndirektoren Alexander Pereira, Georges Delnon & Co. zusammen. Als Intendant der Opera Avenches lockte Sergio Fontana in 16 Jahren mehr als 600 000 Zuschauer in die Westschweiz. Oper, auch Open-Air-Oper, das ist für ihn mehr als schickes Anhängsel einer Partygesellschaft: Er war vier Jahre alt, als ihm Signora Colombo, die Sekretärin des legendären Dirigenten Arturo Toscanini, von der Opernwelt tolle Geschichten erzählte. Als Bariton, später als Intendant, machte der 63-Jährige diese Erfahrungen dann selber.
Heute lebt Fontana zu dreiviertel in der Opernvergangenheit – und erzählt noch so gerne, wie er einst mit den Legenden auf der Bühne stand. 1972 etwa in Florenz. Riccardo Muti dirigierte «Guglielmo Tell», Nicolai Gedda sang den Arnoldo, Fontana den Gessler.
Fontanas Offenheit
Zu einem Viertel steht Fontana auch noch in der aktuellen Opernwelt und wagt sich nun gar an ein riesiges Opernprojekt. Ab 9. August präsentiert das Festival La Perla am Pfäffikersee «Aida»; über 30 000 Leute sollen die Verdi-Oper sehen.
Fontanas «Problem» ist seine Ehrlichkeit – er redet unverblümt über ein Projekt, das gewaltige Marketinganstrengungen unternimmt, um die fehlenden Subventionsmillionen auszugleichen. Aber vielleicht wird gerade Fontanas Offenheit zum künstlerischen Erfolg führen. Er hat einst mit den Allerbesten gesungen und sagt direkt: «Halbpatziges gibt es bei mir nicht.» Und dann zählt er auf, von Berndeutsch in prächtiges Italienisch wechselnd, welche Kräfte er für «Aida» engagiert hat. Ihm geht nichts über italienische Sänger. Wenn er gegen die Schweizer Musiker ausholt, die so gar nichts vom Verdi-Gesang verstehen würden, muss man ihn allerdings bremsen, schliesslich ist Pfäffikons Aida eine berühmte Schweizer Sängerin, Noëmi Nadelmann.
Um seine Worte zu untermalen, singt Fontana auch mal eine Phrase vor, so laut, dass die stillen Gäste in der Bar des Berner Hotels Schweizerhof nach der Bedienung schielen und sagen möchten: «Hilfe, da sitzen zwei Spinner!» Dabei sind es bloss zwei Opernfantasten, die jetzt schon um die berüchtigte Chorstelle «Della vittoria agli arbitri …» zittern. Damit sie gut genug klingt, hat Fontana ein Dutzend Choristen aus Parma engagiert, die seinen Pfäffiker Laienchor verstärken.
Er verpflichtete für Regie und Bühnenbild abgebrühte italienische Profis mit einem klaren Profil. In Pfäffikon wird niemand Opernexperimente zu sehen bekommen. Die Musik steht bei Fontana über allem. Dieses Credo hatte er auch in der Opera Avenches, die er 1995 gegründet hatte. Er startete furios, bis 40 000 Menschen pilgerten in die Römerarena, dann ging es zwischenzeitlich bergab, in seinem letzten Jahr 2010 mit «Lucia di Lammermoor» nach zögerlichem Vorverkaufsbeginn stürmisch bergauf. Er erzählt es und beginnt gleich zu jammern, wie viel Geld er der Gemeinde jeweils abgeben musste. Ein richtiger Impresario eben, der sich nicht gerne in die Karten blicken lässt, aber jedes Detail in Franken aufrechnen kann, im Nu ein Budget erstellt hat.
Konkurrenz ist da
Fontana weiss alles über Opern-Open-Airs – und doch will er vom Journalisten möglichst viel über die anderen Festivals, über die Konkurrenz erfahren. Die gibt es für ihn nämlich sehr wohl, er stimmt nicht in die allgemeine Phrase ein, dass es Platz für alle habe.
Fontana weiss, wie es ist, wenn ein Opern-Open-Air bachab geht. In Bellinzona versuchte er es trotz Warnrufen. Er ist überzeugt: Wer keine Subventionen erhält und weniger als 4000 Plätze anbietet, hat es schwer. Wer dann nicht die ewiggleichen Hits spielt, muss aufpassen. Darin liege auch eine Gefahr für die Schweizer Freiluftopern. «Wenn zwei der Grossen im selben Jahr das gleiche Werk spielen, wird sich zeigen, dass die Schweiz für so viele Opern-Open-Airs zu klein ist.» Hätte er Subventionen, würde er Verrücktes spielen lassen: «Germania» von Alberto Franchetti etwa. Aber er hat sie nicht. Und so spielt man denn in Pfäffikon zum Auftakt die vermeintlich todsichere «Aida». Doch hat er eine wilde Idee für 2015.
Festival La Perla: Aida
Fr, 9.8.–So, 18.8.
Pfäffikon am Pfäffikersee ZH
www.festival-la-perla.ch