Ausgewogen? Das wäre wohl die grösste Beleidigung für eine Biografie über Quentin Tarantino, ist doch der US-amerikanische Kultfilmer sowohl für sein erzählerisches Ausschweifen als auch für sein übersteigertes Ego bekannt. Umso gespannter durfte man auf den neuen Comicband von Amazing Ameziane (bürgerlich: Ameziane Hammouche) sein. Der Franzose, der die Selbstüberhöhung bereits im Namen führt, verfasste auch schon Biografien über andere Grossmäuler wie Muhammad Ali oder Francis Ford Coppola.
Da ist Tarantino die logische Folge. Doch wo anfangen bei diesem Regisseur? Mit vielen Ausflügen und Querverweisen Ameziane entscheidet sich für eine japanische Bar, wo der Protagonist hinter der Theke eine Whiskyflasche feilbietet, in der eine Schlange züngelt. Ein cleverer Kniff, denn ehe wir es uns versehen, sind wir auf der Metaebene, und Ich-Erzähler Tarantino schlägt einen Bogen zu seinem Credo als Filmemacher.
Nach einem Exkurs in die vaterlose Kindheit und einem Blick auf erste Jobs im Sexkino und in der Videothek dreht sich dann alles um Tarantinos Cinematic Universe. Also um seine Filme und Figuren, seine Vorbilder und Förderer, insbesondere Harvey Keitel, seine Träume und nicht realisierten Projekte. Wobei sich Ameziane mindestens so viele Ausflüge und Querverweise erlaubt wie der Regisseur selbst. Vor heiklen Themen schreckt Ameziane auch nicht zurück.
So greift er etwa den Autounfall von Uma Thurman am Set von «Kill Bill» auf (Tarantino: «Der schlimmste Tag meines Lebens.»). Oder er berichtet, wie der Regisseur, der als einer der wenigen Harvey Weinstein Paroli bot, auf dessen Übergriffigkeiten reagierte. Der Comicautor beruft sich dabei immer auf Originalinterviews von Tarantino. Zeitungsstrips, Filmplakate und Bleistiftskizzen Das Beste an diesem Band ist Amezianes Vielseitigkeit, die perfekt zu einem Assoziationskünstler wie Tarantino passt.
Mal zeichnet der Franzose im Superhelden-Stil, dann imitiert er Zeitungsstrips, schiebt Filmplakate, Bleistiftskizzen und an Zelluloid erinnernde Filmstreifen ein, mal knallbunt, dann wieder schwarz-weiss. So wird jede einzelne Seite zur Entdeckung. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn sich Tarantino wieder mal in Selbstbeweihräucherungen ergeht. Ausgewogen ist das nicht. Zum Glück.
Buch
Amazing Ameziane
Quentin Tarantino
240 Seiten
(Splitter 2024)