Graphic Novel: Freiheitskampf
Zu Beginn der 1950er-Jahre wehrten sich Tschechen gegen ihre stalinistische Diktatur – mit Gewalt. Eine neue Graphic Novel erinnert an den Widerstand.
Inhalt
Kulturtipp 20/2019
Rolf Hürzeler
Pathetische Worte können ein Vermächtnis sein. «Denkt immer daran, dass die Verteidigung der Freiheit von Heimat und Volk die Pflicht eines jeden wahren Tschechen ist …» Diese Worte schrieb ein Vater, bevor er von den deutschen Besatzern hingerichtet wurde. Seine Söhne Josef und Ctirad Masín verstanden die Botschaft als Aufforderung, sich mit allen Mitteln gegen die stalinistische Diktatur in der Nachkriegszeit zu wehren.
Die neue Grap...
Pathetische Worte können ein Vermächtnis sein. «Denkt immer daran, dass die Verteidigung der Freiheit von Heimat und Volk die Pflicht eines jeden wahren Tschechen ist …» Diese Worte schrieb ein Vater, bevor er von den deutschen Besatzern hingerichtet wurde. Seine Söhne Josef und Ctirad Masín verstanden die Botschaft als Aufforderung, sich mit allen Mitteln gegen die stalinistische Diktatur in der Nachkriegszeit zu wehren.
Die neue Graphic Novel «Tschechenkrieg» des Schriftstellers Jan Novák und des Künstlers Jaromír Svejdík erinnert an diese weitgehend vergessene Episode der tschechischen Geschichte. Die Brüder Masín und die Gesinnungsfreunde verübten zu Beginn der 1950er-Jahre Anschläge gegen das Regime. Sie richteten sich vor allem gegen Polizeistationen, um Waffen zu erbeuten, mit denen die Aktivisten das Regime destabilisieren wollten. Dabei kam es immer wieder zu Toten. So ermordeten die Attentäter Polizisten, aber auch Zivilisten. Die Gruppe um die Masín-Brüder war der festen Überzeugung, dass ihr bewaffneter Widerstand von der Nato unterstützt würde. Radiosender wie «Voice of America» bestärkten sie fälschlicherweise in dieser Überzeugung.
Beweggründe der Rebellen im Vordergrund
Der Autor Jan Novák und der unter dem Pseudonym Jaromír 99 arbeitende Svejdík schufen eine Graphic Novel, die sich wie ein Krimi liest. Sie rücken die nationalistischen Beweggründe der Rebellen in den Vordergrund und stellen sie neben den Widerstand ihres Vaters gegen die deutschen Nazi-Besatzer ein knappes Jahrzehnt früher. Dabei bleiben die ideologischen Motive dieses Widerstands – zu Recht oder zu Unrecht – eher im Hintergrund.
Die Überwachungsmaschen des stalinistischen Regimes waren damals eng gestrickt. So mutet es aus heutiger Sicht schier unglaublich an, dass die Masín-Brüder und einer ihrer Kumpels den Häschern 1953 entkommen konnten. Sie schafften aber die Flucht über die Grenze in die DDR, wo sie eine gewaltige Fahndungsaktion auslösten, die unter dem Namen «Tschechenkrieg» in die Nachkriegsgeschichte einging. Sie entkamen auch den DDR-Volkspolizisten und erreichten Berlin, von wo sie in die USA emigrierten, um sich der Armee anzuschliessen. Ctirad Masín verstarb 2011 mit 81 Jahren in Cleveland, sein 88-jähriger Bruder Josef lebt noch.
Buch
Jan Novák, Jaromír 99
Tschechenkrieg
Übersetzung: Mirko Kraetsch
250 Seiten (Voland & Quist 2019)