Der Beginn einer literarischen Laufbahn mit 75 Jahren ist vielleicht ganz passend, wenn man durchgehend im Stil einer gesetzten Dame schreibt, die eine präzise Beobachterin ist. Edith Pearlmans zentrales Thema ist das Glück, das man findet, wenn man es nicht sucht oder sich bescheidet. Oder sich die Illusionen aus dem Kopf geschlagen hat und sich stattdessen auf Naheliegendes besinnt. Bezüglich der Liebe kann es das sein, was übrig bleibt, wenn Leidenschaft und Drama verraucht sind.

In einer berührenden Erzählung treffen sich vier 19-jährige Mädchen, um über junge Herren zu sprechen. Sie sind überzeugt, dass es nicht darauf ankomme, wen eine Frau heiratet, da Männer eh austauschbar sind. So werfen sie die Namen von zwölf jungen Galanen in einen Hut und veranstalten eine Art Ehelotterie. Zwei Frauen stehen danach tatsächlich vor dem Traualtar, die dritte zerreisst ihr Papier in Fetzen und heiratet nie. Die vierte nimmt gleich drei Anläufe. Dabei war sie diejenige, welche damals die Niete gezogen hat: Das Los, auf dem kein Name stand. Trotzdem, versichert sie ihrer sterbenden Mutter, sei sie «glücklich genug». Zartbittere Ironie und glasklare Wahrheit zugleich.

Ob die heute 79-jährige Edith Pearlman die «beste Erzählerin der Welt» ist, wie das Zitat der englischen «Times» auf dem Buchrücken verkündet, ist zu bezweifeln. Die Intensität, das Abgründige und Fesselnde einer Alice Munro erreicht sie nicht. In ihren besten Momenten – die hat sie nicht bei allen 20 Kurzgeschichten – gelingt es ihr jedoch, eine eigene Welt auf wenigen Seiten auszubreiten. 

Buch
Edith Pearlman 
«Honeydew» 
Erzählungen
320 Seiten
(Ullstein 2015).