Ein Kunst-Zentrum ohne Kunst? Eine Gruppe um den Tierarzt Marco Giacometti will im Bergeller Dorf Stampa ein neues Kunst-Zentrum zu Ehren Alberto Giacomettis eröffnen. Marco Giacometti ist ein entfernter Verwandter des Meisters.
Die 1500 Bergeller kämpfen tapfer um kulturelle Anerkennung – nicht zuletzt dank dem Giacometti-Clan. Dieser hat in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts fünf namhafte Künstler hervorgebracht – Vater Giovanni, die Söhne Alberto, Diego und Bruno sowie Augusto, ein Cousin von Giovanni. Da drängt es sich geradezu auf, diese Familie touristisch zu vermarkten. Ziemlich schwierig, wenn man an die Preise von Giacometti-Kunstwerken denkt: Eben erzielte eine Bronze-Statue auf einer Auktion in Luzern 3,7 Millionen Franken.
Das Projekt
Dennoch hält Initiant Marco Giacometti an seinen Plänen fest und hat bei der Technischen Universität München Unterstützung gefunden: Architektur-Studenten haben für ihre Abschlussarbeit Vorschläge ausgearbeitet, wie das neue Zentrum in Stampa aussehen könnte. Die Entwürfe sind momentan in zwei alten Scheunen sowie im leer stehenden Hotel Piz Duan in Stampa zu besichtigen. Sie sehen Neu- oder Umbauten vor. Im Mittelpunkt soll das heute nicht zugängliche Atelier von Alberto Giacometti im Dorfkern stehen.
Noch vage ist, was im neuen Kunst-Zentrum zu sehen sein wird: Marco Giacometti will die familiären und künstlerischen Hintergründe seiner Vorfahren dokumentieren – anhand von Schriften, Fotos und anderem. Kunstwerke seien vorderhand zu teuer, sagt Giacometti, denn der Betrieb eines Museums mit wertvollen Objekten ist aufwendig. Allerdings habe er Zusagen für Leihgaben.
Die Vorbehalte
Wie überall auf der Welt stossen neue Vorschläge auf Vorbehalte. So auch im Bergell: Das Tal verfügt bereits über ein breites Angebot, das eine Reise lohnt.
Im Museum Ciäsa Granda von Stampa sind eine Reihe, zum Teil hervorragender Werke von Augusto Giacometti zu sehen, dem etwas verkannten Spross des Clans. Daneben sind auch Bilder von Vater Giovanni und Figuren von Diego zu bewundern – sowie eine Büste von Alberto.
Zudem ist im nahen neomaurischen Palazzo Castelmur eine spektakuläre Schau mit Videoinstallationen eingerichtet. Mit Werken von Künstlern wie dem Zürcher Christoph Rütimann oder dem Paar Selina Frölicher und Micha Bietenhader. Und schliesslich zeigt das Hotel Bregaglia in Promontogno eine Auswahl zeitgenössischer Kunst unter anderem mit Roman Signer oder Isabelle Krieg.
Der Konflikt
Just dieses grosse Angebot macht es für die Giacometti-Initianten schwer, ihre Pläne zu verwirklichen. Denn die Akteure der verschiedenen Institutionen haben nach einem handfesten Krach im letzten Jahr noch nicht zusammengefunden. Aber sie werden sich nach einer Weile zusammenraufen müssen, sofern ihnen die Zukunft des Tals am Herzen liegt.
Ausstellungen
Raumkunst – Kunstraum.
Ein Haus für Werke Alberto Giacomettis
Bis Sa, 10.8., Stampa GR
Projekt der Technischen Hochschule München
Arte Hotel Bregaglia
Bis Sa, 28.9., Promontogno GR
Mit Michael Günzburger, Gabriela Gerber & Lukas Bardill u.a.
Video Arte Castelmur
Bis So, 20.10., Palazzo Castelmur Stampa-Coltura GR
Mit Karin Bühler, Zilla Leutenegger, Simone Zaugg u.a.