«Ein Mann sitzt da.» Nüchterner kann man eine Geschichte kaum beginnen. Hansjörg Schneider tut es andauernd in seinen Kurz- und Kürzest-Texten, die er seit Jahrzehnten schreibt. Die Geschichte mit dem sitzenden Mann heisst «Mitten am Nachmittag» und handelt davon, was ein Mann, der vor seinem Haus sitzt, sieht, riecht und hört, als die Kirchenglocke 15 Uhr schlägt. Bei anderer Gelegenheit schwimmt einer im Fluss, ein Ich steht wartend vor dem Bankschalter, flaniert durch sein Quartier.

Der Sammelband «Im Café und auf der Strasse» umfasst 43 solcher Miniaturen und führt durch Gassen und Pärke, über Strassen und Plätze in Basel, die Schneider-Lesenden wohl bekannt sind aus dessen Hunkeler-Krimis. Sie brechen aber auch aus und auf nach Paris, Sardinien, London. Dass man sich beim Lesen «zu Hause» fühlt, liegt am Erzählton. Literaturkritikerin Beatrice von Matt schreibt in ihrem Nachwort von «zärtlich schutzlosen Sätzen», für die der Autor «eine andere Geschwindigkeit» einlege als in seinen Romanen und Stücken. Tatsächlich lesen sich seine Beo­bachtungen, Skizzen und Kurzporträts wie kleine Augenblicke aus einer anderen, weit zurückliegenden Zeit.

Der heute 81-jährige Hans­jörg Schneider schrieb und schreibt buchstäblich nostalgisch, wenn er einen Wald­rand schildert, der «nach Kindheit riecht», oder vom Metzger erzählt, der «im weissen Schurz vor der Ladentür stand und sich die Hände abwischte». 

«Im Café und auf der Stras­se» ist 2002 erstmals im Ammann Verlag erschienen. Diogenes gibt diese literarischen Preziosen nun in neu gestalteter Edition heraus. Beatrice von Matt hat ihr lesenswertes Nachwort überarbeitet.

Buch
Hansjörg Schneider
Im Café und auf der Strasse
225 Seiten
(Diogenes 2019)