Mit Büchern, CDs, Hörbüchern oder DVDs Freude bereiten: Die Redaktion des kulturtipp macht aus der Fülle der diesjährigen Neuerscheinungen Vorschläge, die sich als Geschenke eignen. Darunter Vergnügliches, Witziges, Spannendes und Dramatisches. Lassen Sie sich inspirieren.
CDs: Jazz/World/Sounds
SOUNDS
Raul Midón: If You Really Want
(Mackavenue 2018)
Für sein neues Album hat der 52-jährige Raul Midón den Arrangeur Vince Mendoza gewinnen können. Dieser setzte den blinden Afroamerikaner mit seiner engelshaft zarten Soulstimme und stupenden Gitarrentechnik vor das 52-köpfige Metropol Orkest in Hilversum. Eine fruchtbare Begegnung! (fn)
JAZZ
John Coltrane: Both Directions
At Once – The Lost Album (Impulse 2018)
Ein funkelnder Schatz für Jazzfans ist diese auch auf Vinyl erhältliche Doppel-CD: Sie enthält die einzigen bekannten Studio-Takes von «Impressions» und zwei bis anhin unbekannte Stücke. Die Masterbänder einer Studiosession im März 1963 von John Coltranes Classic Quartet wurden erst 55 Jahre später wieder entdeckt. (fn)
JAZZ
Kaleidoscope String Quartet: Reflections (Traumton 2018)
An ihren Konzerten spielen sie ohne Notenblätter. Dies scheint ungewohnt für ein klassisch besetztes Streichquartett, öffnet den vier Schweizern aber neue Räume und verleitet sie zu Improvisationen. Damit feiert das Kaleidoscope String Quartet Erfolge bei Musikliebhabern aller Art. Kein Wunder, konnte es für sein drittes Album Auftragskomponisten wie Mathias Rüegg, Nik Bärtsch oder Georg Breinschmid gewinnen. (fn)
WORLD
Ayça Miraç: Lazjazz
(Jazzhouse 2018)
Weltmusik in Bestform: Die in Deutschland geborene Ayça Miraç erweist ihren Vorfahren am Schwarzen Meer eine Reverenz von inniger Schönheit. Miraç lernte die heute bedrohte Sprache Lasisch, vertonte Gedichte und adaptierte überlieferte Tanzmusik. Sie wählte das Klanggewand eines Jazztrios samt Geige. Betörend schön ist Ayça Miraçs Gesang. Beim Zuhören bleibt kein Auge trocken – und kein Bein am Boden. (fn)
CDs: Klassik
J.S. Bach: Sonatas & Partitas,
BWV 1004–1006 (RCA/Sony 2018)
Der grossartigen Bach-Solo-Einspielung von Sebastian Bohren merkt man das Ringen, Zweifeln und Triumphieren an. Die Sonate und Partiten BWV 1004 bis 1006 spielt der Schweizer Geiger Sebastian Bohren mit klarem, vollem Ton. Ausladend prächtig ist der Bogenstrich, aber nie romantisierend. Es ist ein Spiel, das an tote Vorbilder erinnert, aber nie altmodisch wirkt. (bez)
Tonhalle Orchestra Zurich – Celebrating
150 Years, 14 CDs (Sony 2018)
Die Zukunft des Tonhalle-Orchesters Zürich sieht dank Chefdirigent Paavo Järvi rosig aus, die Vergangenheit leuchtet auf dieser CD-Box hell auf. Ab 1942 sitzt man im Tonhalle-Saal: Auf 14 CDs sind die Chefdirigenten zu erleben, Kaliber wie Lorin Maazel oder Bernard Haitink haben spektakuläre Gastauftritte. Von Haydn bis Holliger reicht das Spektrum. (bez)
Dmitri Schostakowitsch: Symphonies
Nos. 4 & 11. Boston Symphony Orchestra – Andris Nelsons (DG 2018)
Wenn ein Ausdrucksfanatiker auf ein präzises US-amerikanisches Spitzenorchester wie das Boston Symphony Orchestra trifft, wird es spannend. In den Sinfonien 4 und 11 von Dmitri Schostakowitsch demonstriert Andris Nelsons, dass ein Orchester die sowjetische Zerklüftung singen und die innere Zerrissenheit feiern kann. (bez)
Franz Schubert: Piano Sonatas D 959 & D 960, Krystian Zimerman, (DG 2018)
Der Meisterpianist Igor Levit nannte die Schubert-Aufnahme seines Kollegen Krystian Zimerman eine der besten drei, die er je gehört habe. Man könnte hinzufügen: Keiner verspinnt die Traumwelten Schuberts so klar und lässt doch alle Klanggeheimnisse neu entstehen. Es sind Werke des Abschieds, entstanden in Schuberts letzten Lebensmonaten, aber Zimerman füllt sie an mit Hoffnung. (bez)
DVDs
Greta Gerwig: Lady Bird
95 Minuten (Universal Pictures 2018)
Bloss weg aus Sacramento! Ein Jahr noch an der katholischen Highschool, dann will Christine «Lady Bird» McPherson (Saoirse Ronan) fürs Studium an die US-Ostküste. Wären da nur nicht die überfürsorgliche Mutter und die finanziellen Schwierigkeiten. Greta Gerwig erzählt in ihrem ersten Spielfilm eine melancholisch-komische Geschichte über Adoleszenz und eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. (sk)
Thomas Stuber: In den Gängen
125 Minuten (EuroVideo 2018)
Christian (Franz Rogowski) tritt seine neue Stelle in einem ostdeutschen Grossmarkt an. Dort verliebt er sich in Marion (Sandra Hüller) aus der Süsswarenabteilung. Basierend auf einer Kurzgeschichte von Clemens Meyer, schuf Regisseur Thomas Stuber ein grossartiges Melodram. Mit tanzenden Gabelstaplern und viel Menschlichkeit in kühlen Lagerhallen. (sk)
Lars Kraume: Das schweigende Klassenzimmer, 107 Minuten (Arthaus 2018)
Als es während des Volksaufstandes in Ungarn 1956 zu Toten kommt, entscheidet sich eine Maturaklasse in Stalinstadt (DDR) zu einer Solidaritäts-Aktion.
Ihre Schweigeminute hat weitreichende Folgen. Der Volksbildungsminister will den Aufwiegler eruieren – die Klasse aber schweigt. Lars Kraume erzählt eine wahre Geschichte als packenden Spielfilm. (fn)
Dennis Gansel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, 106 Minuten (Warner 2018)
Obwohl sich von Michael Endes Lummerland alle ein anderes Bild machen: Dennis Gansel liefert in seiner Verfilmung eine stimmige Variante. Atemberaubend ist die Umsetzung des Scheinriesen Tur Tur, witzig jene des Halbdrachens Nepomuk. Und auch Jim Knopf kommt sehr sympathisch daher. Für Kinder ab 6 Jahren. (fn)
Belletristik
Milena Moser: Land der Söhne
420 Seiten (Nagel & Kimche 2018)
Ein Familienepos der speziellen Art: Giò und sein Vater Luigi erlebten ein ähnliches Schicksal. Wie sie dies prägte, bekommt auch Giòs Tochter Sofia zu spüren. Die Zürcherin und Wahl-Kalifornierin Milena Moser spannt grosse Erzählbögen und packt existenzielle Themen wie Prägung und Identität, Schuld und Freiheit in ihre frische Sprache. (fn)
Lukas Linder: Der Letzte meiner Art
272 Seiten (Kein & Aber 2018)
Alfred Ärmel wäre gerne ein Held. Stattdessen wurde er als blasser Aussenseiter in eine reiche Berner Familie geboren: Die Mutter ist abgedreht, der Vater etwas umnachtet, der Bruder ein Musik-Genie. Der Roman ist eine skurrile Familiengeschichte – und eine Heldenreise, die einen zwischen Lachern immer wieder an die Fallstricke des Lebens erinnert. (sk)
Typex: Andy – A Factual Fairytale
568 Seiten (Carlsen 2018)
Diese Biografie ist ein Erlebnis: Der holländische Zeichner Typex hat sich nach Rembrandt Andy Warhol angenommen. In der Graphic Novel «Andy – A Factual Fairytale» passt er den Zeichenstil dem jeweiligen Jahrzehnt in der Handlung an, skizzenhaftes Schwarzweiss und opulente Farbpanele wechseln sich ab. (sk)
Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex 1–3., (Kiepenheuer & Witsch 2018)
Das Ende der grandiosen Trilogie über den obdachlosen Pariser Ex-Plattenverkäufer Vernon Subutex: Er couchsurft bei in die Jahre gekommenen früheren Punk-Freunden und erlebt die Attentate vom 13. November 2015. Ein Mix aus Balzac und Sex Pistols. Despentes schreibt mit Sätzen wie Giftpfeilen und brillantem Witz über die Zersplitterung der Gesellschaft und die Zumutungen des Alterns. (eb)
Sachbücher/Biografien
Philip Wilkinson: Atlas der nie gebauten Bauwerke, 256 Seiten (dtv 2018)
Monumentales und Exzentrisches hält dieses Buch von Philip Wilkinson in Wort und Bild bereit.
Es zeigt Baupläne und Modelle grosser Architekten: vom St. Galler Klosterplan aus dem Jahre 820 bis zu Jean Nouvels Pariser «Turm ohne Ende». Eine fantastische Reise in visionäre Welten zukunftsweisender Planer. (sch)
Matthias Heine: Letzter Schultag in
Kaiser-Wilhelmsland
224 Seiten (Hoffmann und Campe 2018)
Eine etwas andere Geschichtslektion: «Die Welt»-Redaktor Matthias Heine erzählt im Plauderton, wie der Erste Weltkrieg die deutsche Sprache veränderte. Unterhaltsam und witzig berichtet er von der Ausbreitung und dem Zerfall des Deutschen auf der ganzen Welt: Etwa davon, wie die Frankfurter in den USA zu Hotdogs mutierten und die Schweiz zur Alpenfestung des Dialekts wurde. (sch)
David Rennert, Tanja Traxler: Lise Meitner
225 Seiten (Residenz 2018)
Die Wiener Physikerin Lise Meitner (1878–1968) gilt als Mit-Entdeckerin der Kernspaltung. Die gebürtige Jüdin erkannte in der Nazizeit im schwedischen Exil die Tragweite dieser physikalischen Kettenreaktionen. Den Autoren glückt die leicht verständliche Biografie einer selbständigen Frau. (hü)
Nicholas Thomas (Hrsg.): Um die Welt mit James Cook, 318 Seiten (wbg Theiss 2018)
Dieser prächtige Bildband dokumentiert die Segelfahrten des englischen Entdeckers James Cook (1728–1779). Er erkundete vor allem den Pazifik, getrieben vom kolonialen Ehrgeiz, die Welt für die Krone zu erschliessen. Der Band enthält zahlreiche Aufzeichnungen von Cook selbst. Zeitgenössische Illustrationen und Karten veranschaulichen die Reisen. (hü)
Hörbücher
Elke Heidenreich: Alles fliesst – Der Rhein
187 Min. (Random House Audio 2018)
Autorin Elke Heidenreich begibt sich auf die Spuren des 1200 Kilometer langen Rheins und trägt auf ihrer Reise spannende Geschichten und Fakten, Reflexionen und persönliche Erinnerungen zusammen. Ausgestattet ist das von Heidenreich gelesene Hörbuch mit einem CD-Booklet mit Fotografien von Reisebegleiter Tom Krausz. (bc)
Anthony Horowitz: Die Morde von Pye Hall
600 Min. (GoyaLiT 2018)
Bestseller-Autor Anthony Horowitz verknüpft in seinem raffiniert konstruierten Roman zwei Krimis in einem: Die Lektorin Susan bringt sich auf der Suche nach verschwundenen Krimi-Manuskript-Seiten in Gefahr. Das Manuskript spielt in den 50ern in einem englischen Dorf, wo Detektiv Atticus Pünd in einem Mordfall ermittelt. Unterhaltsame Krimi-Kost in Agatha-Christie-Manier. (bc)
Celeste Ng: Kleine Feuer überall
697 Min. (Audioverlag 2018)
Die Richardsons gehören zu den Vorzeigefamilien in einem Vorort von Cleveland, Ohio – bis ihr Haus brennt und Tochter Izzy der Brandstiftung verdächtigt wird. In ihrem packenden Familienroman rollt Celeste Ng auf, wie es zum Unglück kam. Mit feinen Zwischentönen und subtilem Witz deckt sie die kleineren und grösseren familiären Katastrophen sowie gesellschaftliche Missstände auf. (bc)
Christine Nöstlinger: Die feuerrote Friederike
43 Min. (Jumbo Verlag 2018)
Mit Christine Nöstlinger starb 2018 eine der witzigsten und mutigsten Kinderbuch-Autorinnen deutscher Sprache. Schon in ihrem ersten Buch 1970 setzte sie Themen wie Mobbing und Ausgrenzung in märchenhafter Frische um. Friederike wird ihrer roten Haare wegen geneckt, hat in ihrem Kater aber einen verlässlichen Freund. «Die feuerrote Friederike» ist kurz vor Nöstlingers Tod als Hörbuch für Kinder ab 7 Jahren erschienen. (fn)