Fumetto: Zeichnen, schneiden, kleben
Die franko-kanadische Comic-Zeichnerin Julie Doucet ist Stargast beim Comix-Festival Fumetto in Luzern.
Ihr Schaffen wird mit einer erstmaligen Werkschau gewürdigt. Doucet zeichnet aktuell allerdings keine Comics – sie ist auf die Collage gekommen.
Inhalt
Kulturtipp 08/2017
Urs Hangartner
Julie Doucet (*1965) ist ein einflussreiches Vorbild für unzählige Zeichnerinnen und Zeichner, die sich der Comic-Autobiografie verschrieben haben. Sie selber machte es in den 1990er-Jahren mit ihrer Serie «Dirty Plotte» vor: Im Persönlichen schonungs- und tabulos kehrte sie ihr Inneres nach aussen. Sie machte in den Bilderzählungen Privates öffentlich – zum Glück mit Witz und Selbstironie. Julie Doucet durchlebte eine grosse Krise. Inklu-<...>
Julie Doucet (*1965) ist ein einflussreiches Vorbild für unzählige Zeichnerinnen und Zeichner, die sich der Comic-Autobiografie verschrieben haben. Sie selber machte es in den 1990er-Jahren mit ihrer Serie «Dirty Plotte» vor: Im Persönlichen schonungs- und tabulos kehrte sie ihr Inneres nach aussen. Sie machte in den Bilderzählungen Privates öffentlich – zum Glück mit Witz und Selbstironie. Julie Doucet durchlebte eine grosse Krise. Inklu-
sive Zusammenbruch während der Zusammenarbeit für ein zeichnerisch-filmisches Gemeinschaftsprojekt mit dem bekannten Videoclip-Regisseur Michel Gondry.
Danach hörte sie mit Zeichnen auf: «Ich hatte ein Burnout und konnte nicht mehr zeichnen – eine mentale Blockade. Ich habe überhaupt nicht gearbeitet. Doch ich bin zurückgekommen und will neu beginnen.»
Comics hinter sich gelassen
Letztes Jahr sagte sie, sie liebe inzwischen das Zeichnen sogar mehr als zuvor. Ausschlaggebend für ihre Rückkehr war ein trauriges Ereignis: Julie Doucet kannte ein paar Mitarbeiter von «Charlie Hebdo», allerdings solche, die zu spät zur fatalen Sitzung gekommen waren und überlebten. Doch irgendwie löste das ihre Blockade. Just am Tag nach dem Anschlag vom 7. Januar 2015 griff sie wieder zum Stift. Was sie zeichnet, muss nicht unbedingt im Feld der Comics sein. «Die Comics zu verlassen, war eine grosse Befreiung – ich konnte mich auf anderes konzentrieren.»
Für ihr jüngstes Werk «Carpet Sweeper Tales» (2016) hat Doucet alte italienische Fotoromane aus den 1950er- bis 1970er-Jahren gesammelt und einzelne Bilder für eine Art Vintage-Collage-Buch ausgewählt. Zu den Bildern die Buchstaben: ausgeschnittene Wörter und Silben aus US-amerikanischen Magazinen wie «Good Housekeeping» und «Better Homes And Gardens».
Weg vom Persönlichen
So hat sie Vorgefundenes zu Neuem kombiniert, ist sie den gestalterischen Weg gegangen vom Persönlichen ihrer autobiografischen Comics zum angeeigneten Fremden.
Julie Doucet – Retrospektive
Sa, 1.4.–So, 9.4. Jew. 10.00–20.00
Empfang: So, 2.4., 15.30
Kunstplattform akku, Gerliswilstrasse 23, Emmenbrücke LU
Fumetto – Internationales Comix-Festival Luzern
Sa, 1.4.–So, 9.4.
Infos unter: www.fumetto.ch