Friedrich Ani - Dunkle Welt des «Stüberls»
Der Münchner Friedrich Ani gewinnt den diesjährigen Burgdorfer Krimipreis. Anis Romane erscheinen sozialkritisch – was dem Autor so gar nicht passt.
Inhalt
Kulturtipp 22/2012
Fritz Trümpi
Auf Fragen nach dem gesellschaftskritischen Gehalt seiner Bücher reagiert Friedrich Ani allergisch. «Es wundert mich, dass Literaturkritiker so gerne Sozialkritik in meinen Romanen zu entdecken glauben», offenbart er im Gespräch – sichtlich verstimmt. «Lasst mich damit in Ruhe, setzt euch in den Lehnstuhl und widmet euch eurer Lehrerliteratur!»
Am Gesellschaftsrand
Im Unterschied zu dieser gehören die Pr...
Auf Fragen nach dem gesellschaftskritischen Gehalt seiner Bücher reagiert Friedrich Ani allergisch. «Es wundert mich, dass Literaturkritiker so gerne Sozialkritik in meinen Romanen zu entdecken glauben», offenbart er im Gespräch – sichtlich verstimmt. «Lasst mich damit in Ruhe, setzt euch in den Lehnstuhl und widmet euch eurer Lehrerliteratur!»
Am Gesellschaftsrand
Im Unterschied zu dieser gehören die Protagonisten aus Anis Büchern weniger der mit Luxusproblemen behafteten Mittelschicht an, sondern entstammen den abschüssigen Rändern der Gesellschaft. Seine Kriminalromane sind auch einfühlsame Porträts von einsamen Kleinbürgern, daueralkoholisierten Kneipengängern und Langzeitarbeitslosen. «Meine Figuren stehen auf der lichtabgewandten Seite der Gesellschaft und führen ein verschattetes Leben», fasst Ani zusammen.
Das ist auch die Welt, mit der sich der Münchner Schriftsteller täglich umgibt: Die Welt des «Stüberls», wo Ani seine Biere konsumiert – und sich als Nichtraucher darüber aufregt, dass drinnen nicht mehr geraucht werden darf. «In Bayern herrscht ein Gesundheitsfundamentalismus, der meine «Stüberl»-Freunde ebenso in den Abgrund treibt wie die Wirte.»
Auch seine Hauptfigur traf Ani zuerst im «Stüberl», ehe er sie literarisch verarbeitete. «Die Figuren suchen sich die Autoren, nicht umgekehrt – sie warten in einer kosmischen Garderobe und schleichen sich an den Schriftsteller heran», ist Ani überzeugt. Er habe fast 15 Jahre nach einer Hauptfigur gesucht, bis im «Stüberl» eines Abends eine Gestalt aufgetaucht sei, von der er sofort gewusst habe: Der ist es! Gesprochen hat er mit der schillernden Person zwar nicht. Doch er habe rasch sein Bier ausgetrunken und sei nach Hause geeilt, um diese faszinierende Person «abzuschreiben», erinnert sich Ani. Das war 1996. Seither dominiert die Figur als Tabor Süden die meisten von Anis Büchern, bis vor kurzem als Polizeikommissar, seit Neuestem als Privatdetektiv.
Mit den Figuren steht und fällt Anis Schriftstellerei. Erst wenn er sie alle genau kennt, beginnt er, an der Geschichte zu arbeiten. Denn die Handlung ergibt sich aus den Figuren. Darum muss Ani sein Romanpersonal genau kennen, bevor er mit dem Schreiben anfängt: «Wenn ich alle Figuren beisammenhabe, muss ich mir um den Plot keine Sorgen mehr machen.»
Unwichtiger Plot
Überhaupt erachtet er den Plot als das Unwichtigste seiner Geschichten. Die Figuren und die Sprache faszinieren Ani an der Literatur am meisten. Das sorge bei Lesern mit herkömmlichen Erwartungen an Krimis öfters für Unmut: «Solche Leute werden bei der Lektüre meiner Romane leicht sauer, denn sie fahren ordentlich gegen die Wand.»
Die Jury der Burgdorfer Krimitage sieht dies glücklicherweise nicht so eng: Sie kürte Friedrich Ani für seinen neuen Roman «Süden» zum Träger des diesjährigen Krimipreises – verdientermassen.
[Buch]
Friedrich Ani
«Süden»
364 Seiten
(Droemer/Knaur 2011).
[/Buch]
www.krimitage.ch