Fremde Federn sind am schönsten
Ein Ideenklau läuft aus dem Ruder: Die junge österreichische Autorin Marlen Schachinger erzählt in ihrem Roman «Denn ihre Werke folgen ihnen nach» von einem scheinbar erfolgreichen Plagiat im kommerziellen Literaturbetrieb – raffiniert und witzig.
Inhalt
Kulturtipp 13/2013
Letzte Aktualisierung:
11.07.2013
Man kennt die Diskussionen über Plagiate nun und hat sie satt. Dabei ging vergessen, dass es unter Autoren bis ins späte Mittelalter als verdienstvoll galt, die Geschichte eines anderen anders – womöglich besser – neu zu erzählen. Und der ursprüngliche Autor fühlte sich durch das Plagiat geehrt.
Das soll heute noch vorkommen, ist aber verpönt. Sogar Bestseller-Autor Dan Brown, der eine ganze Armada von Factfindern beschäftigt und angebl...
Man kennt die Diskussionen über Plagiate nun und hat sie satt. Dabei ging vergessen, dass es unter Autoren bis ins späte Mittelalter als verdienstvoll galt, die Geschichte eines anderen anders – womöglich besser – neu zu erzählen. Und der ursprüngliche Autor fühlte sich durch das Plagiat geehrt.
Das soll heute noch vorkommen, ist aber verpönt. Sogar Bestseller-Autor Dan Brown, der eine ganze Armada von Factfindern beschäftigt und angeblich ein umfassendes Quellenstudium betreibt, sieht sich regelmässig mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert.
Wie ein Psychothriller
In diesem Nebel zwischen intellektuellem Betrug und legitimer Bearbeitung öffentlicher Themen siedelt die 43-jährige österreichische Schriftstellerin Marlen Schachinger ihren Roman «Denn ihre Werke folgen ihnen nach» an. Leichtfüssig, charmant und ironisch beschreibt sie, wie der Ideenklau eines Bestsellerautors aus dem Ruder läuft: Der Schriftsteller Mario Kamov hat seine erfolgreiche Karriere als Bestsellerautor auf geklauten Manuskripten aufgebaut. Sie waren ihm in die Hände gefallen, als er in jungen Jahren mit ein paar Saufkumpanen in die Büros eines Verlags eingebrochen war. Niemand vermisste die Papiere, weder der Verlag noch die Autorin. So schlachtet Kamov nach und nach die mehr oder weniger vollständigen Romane aus, die zumindest teilweise auf historischen Ereignissen basieren. Er schreibt die geklauten Texte um, ergänzt sie und publiziert sie unter seinem Namen. Erst nach Jahrzehnten holt ihn die Lebenslüge ein. Luca taucht auf. Er ist der Sohn der Autorin, deren Manuskripte Kamov einst geklaut hatte. Luca will selber Schriftsteller werden. Erfolgreicher als seine Mutter, und dafür besucht er die Vorlesung des arrivierten Kamov.
Was dann passiert, liest sich stellenweise wie ein Psychothriller. Der Leser weiss zwar immer ein bisschen mehr als Kamov und sehr viel mehr als Luca, aber längst nicht alles. Schachinger lässt die beiden Männer Katz und Maus spielen, über viele Seiten hinweg.
Die Beobachterin
Vordergründig erscheint die Handlung stets simpel und einfach, ist sie aber nicht. Kamov weiss nicht, ob Luca seinen Betrug erkannt hat. Luca ist sich nicht sicher, ob Kamov überhaupt ahnt, dass er das Plagiat durchschaut hat. Und der Leser bleibt im Ungewissen darüber, wie viel die beiden voneinander wissen.
«Denn ihre Werke folgen ihnen nach» ist ein Roman über Recht und Unrecht, über Moral und Flunkerei, Ehrlichkeit und Beschiss. Schachinger erzählt auch von Eitelkeiten und Abhängigkeiten, von Liebe und Enttäuschungen, von Faszination und Abscheu. Letztlich berichtet sie aus dem Nähkästchen des echten Literaturbetriebes – so, wie er zwischen Autoren, Verlagsleuten und Kritikern läuft. Mit Neid, Missgunst und Heuchelei als Triebfedern. Daraus entwickelt Schachinger ein Spiel zwischen dem arrivierten Autor, der nach Bewunderung lechzt, und dem jungen Mann, der unbedingt Schriftsteller werden will.
Schachinger selbst schreibt aus der Perspektive der teilnehmenden Beobachterin. Und sie weiss, wovon sie schreibt. Wie ihre Figur Kamov unterrichtet sie Literarisches Schreiben und hat das «Institut für narrative Kunst» als Ausbildungsstätte für junge Literaten – wie Luca einer sein möchte – gegründet.
Einfach und direkt treibt Schachinger die Geschichte von Kamov und Luca voran. Sie verheddert sich auch nicht in Sprachspielereien. Thomas Bernhard als Übervater österreichischer Schreiber ist zwar als Schatten omnipräsent, auch ein Hauch von Elfriede Jelinek ist spürbar. Doch das gehört zum erzählerischen Charme Österreichs, in dem bis heute die unnachahmliche Opulenz der Donaumonarchie nachhallt. Und dass beide Protagonisten letztlich scheitern, gibt dem Roman diesen wohlig modrig-morbiden Touch, der die österreichische Literatur seit jeher auszeichnet. Christian Maurer
Marlen Schachinger
«Denn ihre Werke folgen ihnen nach» 266 Seiten
(Otto Müller Verlag 2013).