Die ersten Schritte ins Paradies schmerzen etwas. Zumindest auf ein paar groben Schotter-Metern und für ungeübte Barfussgänger. Doch dann: kühles, weiches Gras. Und Kunst. Wem danach ist, kann seinen Besuch der 6. Skulpturen-Biennale Weiertal den Medizinwanderungen der australischen Aborigines nachempfinden. Das Werk «Traversina – Magic Threshold» des Künstlers Mirko Baselgia gibt die Anleitung dazu: Man überschreite eine selbst erstellte kleine Schwelle aus Naturmaterialien und gehe dann barfuss durch die Freiluftausstellung. Auf dass «dahinter eine andere als die gewohnte Welt beginnt». Und was für eine Welt da beginnt: ein grosszügiger Garten unweit von Winterthur Wülflingen. Büsche schirmen eine Strasse ab, ein kleiner Bach plätschert, zwei Weiher liegen ruhig da, ein Obstgarten bietet an diesem sonnigen Tag Schatten. Hier findet seit 2009 die Skulpturen-Biennale Weiertal statt. Dieses Jahr hat Kurator Christoph Doswald Künstlerinnen und Künstler eingeladen, sich unter dem Titel «Paradise, lost» mit dem Garten auseinanderzusetzen – aber den Blick eben auch auf die Gesellschaft ausserhalb zu werfen.
Unter den Füssen ist die feine Sandsteinplatte zu spüren, die als Brücke über dem Bach liegt. Der Schritt verlangsamt sich, Ruhe kehrt ein. Und jetzt erblickt man sie überall, die witzigen und die mahnenden Kunstwerke. Unter den Obstbäumen hat eine riesenhafte Figur den Kopf zum Schlaf auf die angezogenen Knie gelegt – Christopher T. Hunzikers «Sleeping Sculpture».
Nicht weit vom Riesen baumelt Melli Inks «Tal der Tropfen (crying clowd)» an einem Baum. Je nach Blickwinkel funkeln die Glastropfen im Sonnenlicht, verzerren die Landschaft dahinter, werden fast unsichtbar. Und aus dem kleineren der zwei Weiher reckt der «Aqua Wolpertika» der Zürcher Street-Art-Künstlerin Maja Hürst (Tika) seine Tentakel. Ein Zeichen gegen den Verlust des Mythischen im Alltag? Gegen das Artensterben?
Jetzt kühlt feuchtes Moos die Fusssohlen. Schatten. Stühle vor einem Gartenhaus laden ein, den Blick schweifen zu lassen. Und da: Auf dem grossen Weiher schwimmt eine Herde von aufblasbaren Einhörnern. Auf den Rücken dieser Schwimmtiere liegen erschöpfte Figuren mit Emoji-Gesichtern: Olaf Breunings «Floating Maniacs» liest sich wie eine Kritik an der überdrehten Welt von Social Media. Dennoch versprüht seine Installation eine skurrile Form von Magie.
Auf einmal schreckt ein Windstoss die Einhörner auf, die Gummitiere ziehen ans andere Ufer des Teichs. Dann ist es wieder ruhig in diesem kleinen Kunst-Paradies im Weiertal.
Paradise, lost
Bis So, 8.9.
Mi–Sa, 14.00–18.00;
So, 11.00–17.00
Weiertal Winterthur Wülflingen ZH
www.galerieweiertal.ch
Ernen. Zur frohen Aussicht
Zum dritten Mal lädt das Walliser Bergdorf Ernen junge Schweizer Kunstschaffende zur Freilichtausstellung «Zur frohen Aussicht». Deren Arbeiten befassen sich mit dem Ort und dessen Umgebung. Die Bernerin Lea-Nina Fischer etwa bringt für «Umzonung» Bodencollagen auf dem Dorfplatz an und thematisiert damit den Schutz von Ortsbildern und Landschaften. Aurélie Strumans zeigt mit «Allitérer, reflet auffleuré» künstlich erzeugte Landschaftsstrukturen in der Natur. (sk)
So, 7.7.–So, 29.9., Ernen VS
www.zurfrohenaussicht.org
Carona. Carona Immagina
Zum zweiten Mal lässt «Carona Immagina» den einstigen Künstlerort Carona bei Lugano aufleben. Die Fotoausstellung im Freien führt Besucher durch die Gassen und über die Plätze des Dorfes. Luftaufnahmen des Schweizer Fotografen Georg Gerster oder Bilder aus der Glamourwelt des heute 91-jährigen Italieners Frank Horvat sind grossformatig an den Häusern aufgehängt. Mal bilden sie Gegenpunkte zu den Fassadenfarben, mal ergänzen sie diese. (sk)
Bis So, 13.10., Corona TI
www.caronaimmagina.ch
Murten. As time goes by
Die Freiluftschau der Fondation Jetzt Kunst findet in Murten statt. Sie ist 24 Schweizer Künstlerinnen und Künstlern gewidmet, deren Karrieren zwischen 1960 und 1980 begannen. Beim Murtner Schloss etwa ragen die Holzfiguren des Freiburger Künstlers Adrian Fahrländer aus einer Wiese. Ihr Blau bildet einen lebendigen Kontrast zu den erdigen Tönen der Altstadt. Der Ausstellungsplan ist bei Murten Tourismus und im Museum Murten erhältlich. (sk)
Bis So, 27.10., Murten FR
www.jetztkunst.ch/ausstellung/n7
Engelberg. An der Aa
Die Vergänglichkeit steht im Zentrum der Land-Art-Ausstellung «An der Aa» in Engelberg. Am Rand des Ortes führt der eineinhalb Kilometer lange Themenpfad zwischen Eienwäldli und Wasserfall an neun Kunstwerken aus natürlichen Materialien vorbei. Für «Moosleine» etwa legte Yvonne Christen Vagner mit Moos bestückte Jutebänder so über den Bach, dass sie dem Schattenwurf von Bäumen folgen. Der Pfad ist rollstuhlgängig, beide Anfangspunkte sind per Ortsbus erreichbar. (sk)
Bis Mo, 30.9., Engelberg OW
www.kultur.spuur.ch/aktuell
Chur. Begegnungen
In einer weit ausholenden Kehre der Hauptstrasse von Chur nach Lenzerheide liegt ein vergessener Park. Diesen «Rosenhügel» bespielen 13 namhafte Kunstschaffende aus der Schweiz und Italien. Zum Thema «Begegnungen» lädt Not Vital eine steile Treppe hinauf zum Blick über die Stadt. Autor Tim Krohn erzählt in Hörinstallationen Geschichten zum ehemaligen Galgen-Hügel. Peter Conradin Zumthor lässt den Verkehrslärm wuchtig um den ganzen Park sausen. Und Isabelle Krieg lädt zum erholsamen Augenbad. Poetisch verspielte Kunst-Begegnungen. (fn)
Bis So, 29.9., Rosenhügel Chur
www.begegnungen-2019.ch