Schmerzt die Liebe wie bei Orsino, hilft eigentlich nur noch Schlager. Eben hat der Herrscher Illyriens erfahren, dass seine Olivia ins Kloster will. Orsino ist in der Kufenkutsche kollabiert, ein bittersüsses Lied des Schlagertrios Nilsen Brothers hüllt das Eisfeld ein. «Schon der Gedanke, dass ich Dich einmal verlieren könnt’ / dass Dich ein and’rer Mann einmal sein eigen nennt / er macht mich traurig.»
Auf dem Luzerner EWL Areal sind die Proben für die Freilichtspiele Luzern im Gang. Das Rote Haus, ein Industriebau aus den 20ern, bildet die Kulisse. Davor ist ein synthetisches Eisfeld aus weissen Kunststoffplatten ausgelegt. Eingerahmt wird die Fläche von zwei Holzbauten: Kiosk und Umkleide der Eisbahn. Hätten Regisseurin Barbara Schlumpf und ihr Ensemble wählen können, sie hätten sich für anderes Wetter entschieden. Seit Stunden fällt dichter Regen, mit Wasserschiebern stossen zwei Ensemble-Mitglieder vor Probenbeginn Pfützen von der Eisbahn. Die Schauspielerinnen und Schauspieler tragen Mischungen aus Regenkleidung und Kostümteilen, eine venezianische Gondel ist mit Plastik verhüllt. «Wir schonen die Requisiten», sagt Schlumpf zur Theatertruppe, «aber wir schonen nicht uns.» Die Darstellerinnen und Darsteller werden sich den Dauerregen nicht anmerken lassen.
Für die diesjährigen Freilichtspiele hat der Schriftsteller Thomas Hürlimann William Shakespeares «Was ihr wollt» adaptiert. In der Verwechslungskomödie strandet Viola an der Küste von Illyrien. Dort tritt sie als Knabe Cesario verkleidet in den Dienst des Herzogs Orsino, übergibt dessen Liebesbotschaften an die Gräfin Olivia. Doch Olivia verliebt sich ausgerechnet in Cesario. Hürlimann hat den Stoff für seine Mundart-Adaption um eine Reihe von Figuren und Dimensionen erweitert. Da ist zum Beispiel Sargtoni, der Sargschreiner aus Hürlimanns Komödie «Güdelmäntig» von 1993. Dieser betreibt das Eisfeld, auf dem das Stück spielt. Die shakespearesche Liebesgeschichte ist Binnenhandlung, wächst aus seinen Tagträumen heraus.
Seemannslieder und Schlager aus der Jukebox
Dieser Sargtoni gleitet jetzt im schwarzen Frack, mit Zylinder und auf Schlittschuhen über das Eis. Von allen Seiten sind Stimmen zu hören. Sargtoni: «Stimme, Gstalte, frömdi Gwalte. Still! D’Bäum und Strüch fönd a träume, die alt Fabrik wird äs Schloss, es erwached ferni Ziite.» Die Szene markiert einen ersten Übergang vom Heute der Rahmenhandlung nach Illyrien. Hürlimann hat die Szene vor kurzem umgeschrieben, bei den Schauspielern sitzt sie noch nicht. Schlumpf greift ein: «Den Auftritt der Gestalten würde ich geheimnisvoll, mystisch machen.» Sie geht zum rechten Eisfeldrand, zeigt, wie sie sich das vorstellt. «Gut, wir fangen nochmals an.»
Barbara Schlumpf und Thomas Hürlimann entwickelten die Idee gemeinsam, das Stück auf das Eis zu bringen. «Eine doppelte Herausforderung», sagt Schlumpf. Ein Teil der Darsteller hätte zuerst Eislaufen lernen müssen. Zudem müsse sie das Publikum durch eine Handlung aus vielen kleinen und komplexen Verstrickungen führen. Damit dies auf der blanken Fläche des synthetischen Eisfelds gelingt, wird sie mit Licht und wenigen Requisiten arbeiten. Die sechs hohen, schlanken Fensterpartien des Roten Hauses sind mit Opernfolie hinterlegt – an den Aufführungen werden sie die Eisfläche spiegeln. Während der Probe wird deutlich, dass auf dem Eis verschiedene Räume angedeutet werden: die Holzbauten links und rechts sind mal Kiosk und Umkleide, mal Paläste. Mal markieren Tännlein einen Wald. Immer wieder ertönen Seemannslieder und Schlager aus einer Jukebox, erzählen von Sehnsucht und Liebe und erinnern die Zuschauer an eigene Nachmittage auf den Schlittschuhen. Die Übergänge zwischen den Handlungssträngen sind fliessend. «Die Zuschauer sollen ein magisches Traumspiel erleben über die Liebe und die komödiantischen Verwechslungen und Verwirrungen», sagt Schlumpf.
Ein magisches Traumspiel wird zum Leben erwachen
Jetzt singt Peter Alexander: «Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.» Auftritt Viola. Die Schiffbrüchige wird auf einem Brett mit Rollen auf das Eis gezogen. In den Aufführungen wird sie einer riesigen Muschel entsteigen – auch diese ruht unter einer Plane. Aber irgendwann wird es mit dem Regen vorbei sein. Thomas Hürlimanns träumerische, magische Welt lässt sich nicht für immer mit Plastik bannen.
Was ihr wollt
Premiere: Di, 11.6., 21.00
EWL Areal Luzern
www.freilichtspiele-luzern.ch
Die schönsten Freilichttheater im Sommer
La stria da Dentervals
Bis Sa, 15.6.
Kirche Sontga Gada Disentis GR
www.dentervals.gr
Optimum – Zirkus Chnopf
Bis Sa, 14.9., diverse Orte
Tournee: www.chnopf.ch
Der Regenmacher u.a.
Mo, 10.6.–So, 8.9.
Stadthaus Winterthur ZH
www.sommer-theater.ch
Halt Halle
Fr, 14.6.–Sa, 21.9.
Halle Bahnhof (ehem. Acifer-Halle) Ostermundigen BE
www.madamebissegger.ch
Willhelm Tell
Sa, 22.6.–Sa, 31.8., Interlaken BE
www.tellspiele.ch
Der grosse Coup
Fr, 28.6.–Sa, 10.8.
Schlosspark Jegenstorf BE
www.schlossspiele-jegenstorf.ch
Romeo und Julia auf dem Dorfe
Mi, 3.7.–Sa, 17.8., Ballenberg Landschaftstheater Brienz BE
www.landschaftstheater-ballenberg.ch
Schöne Welt
Fr, 5.7.–So, 4.8., Burg Riom GR
www.origen.ch
Chachelihannes
Fr, 5.7.–Sa, 17.8.
Waldbühne Moosegg BE
www.freilichtspielemoosegg.ch
Winnetou und der Ölprinz
Sa, 6.7.–Sa, 10.8.
Naturbühne Engelberg OW
www.winnetou.ch
Ich war noch niemals
in New York
Mi, 10.7.–Sa, 24.8.
Seebühne Thun BE
www.thunerseespiele.ch
Matterhorn: No Ladies please
Do, 11.7.–So, 4.8.
Riffelberg Zermatt VS
www.freilichtspiele-zermatt.ch
Arsen und Spitzenhäubchen
Do, 11.7.–Do, 8.8.
Seeburgpark Kreuzlingen TG
www.see-burgtheater.ch
Traum oder Wörklichkeit?
Fr, 26.7.–Sa, 24.8.
Schulhaus Dorf Windisch AG
www.freilicht-spektakel.ch
Bouffon
Di, 6.8.–Sa, 14.9.
Schlosspark Nidau BE
www.bouffon2019.ch
Arsen und Spitzenhäubchen
Mi, 7.8.–Sa, 7.9.
Schloss Hagenwil Amriswil TG
www.schlossfestspiele-hagenwil.ch
Fernweh
Mi, 7.8.–Sa, 31.8.
Kiesgrube Punt Illnau ZH
www.freilichtspiele-illnau.ch
Das glückselige Leben
Fr, 16.8.–Sa, 14.9.
Trogen AR
www.dasglückseligeleben.ch
Ein schöner Schwindel
Fr, 30.8.–So, 15.9.
Kirchenplatz Winterthur Wülflingen ZH
www.einschoenerschwindel.ch