Frecher Witz und sanftmütige Ironie in der Kunst
Das Berner Zentrum Paul Klee zeigt die komische Seite von Paul Klee im Vergleich mit Karikaturen von Künstlern, denen er sich verbunden fühlte: Honoré Daumier, Lyonel Feininger, James Ensor und Alfred Kubin.
Inhalt
Kulturtipp 13/2013
Letzte Aktualisierung:
11.07.2013
Rolf Hürzeler
Verachtung pur: Der deutsch-amerikanische Künstler Lyonel Feininger (1871–1956) zeichnete die Karikatur (Bild links) in einer Zeit, als Europa vom Nationalismus geschüttelt war. Die Militaristen dieses Werks aus dem Jahr 1915 sind keine strammen Soldaten, die erhobenen Hauptes in die Schlacht ziehen. Sie erscheinen vielmehr als bedrohliche Ungeheuer, die Tod und Verderben verbreiten. Feininger nannte die Zeichnung «Die Kriegsmaschine des Vierverbandes» (1915),...
Verachtung pur: Der deutsch-amerikanische Künstler Lyonel Feininger (1871–1956) zeichnete die Karikatur (Bild links) in einer Zeit, als Europa vom Nationalismus geschüttelt war. Die Militaristen dieses Werks aus dem Jahr 1915 sind keine strammen Soldaten, die erhobenen Hauptes in die Schlacht ziehen. Sie erscheinen vielmehr als bedrohliche Ungeheuer, die Tod und Verderben verbreiten. Feininger nannte die Zeichnung «Die Kriegsmaschine des Vierverbandes» (1915), also der Mittelmächte Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Osmanisches Reich und Bulgarien. Es ist eines von zahlreichen Werken in der neuen Ausstellung «Satire – Ironie – Groteske» des Berner Zentrums Paul Klee. Sie dokumentiert die komisch-kritische Seite des Künstlers Paul Klee und die Einflüsse, denen er ausgesetzt war.
Satire-Verständnis
Lyonel Feininger lernte Paul Klee am Staatlichen Bauhaus in Weimar kennen. Dieses hatte Feininger 1919 als ersten Leiter der grafischen Werkstatt berufen. Er trat mit Klee fünf Jahre später in der Künstlergruppe «Die Blauen Vier» auf, der auch Alexey Jawlensky und Wassily Kandinsky angehörten. Der künstlerische Einfluss Feiningers auf Klee ist zwar unbestritten. Aber das Satire-Verständnis der beiden war unterschiedlich: Denn Klee, ebenfalls ein Anti-Militarist, zeichnete keine politischen Karikaturen; er hatte im Gegensatz zu Feininger kein politisches Sendungsbewusstsein. Ihm stand das allgemein Menschlich-Komische näher. Das Aquarell «Der Mann mit dem Mundwerk» (siehe Seite 13 oben) beispielsweise macht sich über einen Angeber lustig, oder besser über den Angeber schlechthin. Vielleicht denkt der Betrachter indes an eine bestimmte Sorte Politiker, womit die inhaltliche Nähe zu Lyonel Feininger erklärt wäre.
«Klees frühes Schaffen ist geprägt von einer vielfältigen Auseinandersetzung mit Satire und Karikatur», heisst es in einem Text zur Ausstellung des Zentrums Paul Klee. Klee habe seinen «Hang zum Bizarren» bereits in seinen Schulbüchern ausgelebt, «deren Ränder er oft mit Zeichnungen versieht». Die Karikatur war vor allem in seinem Jugendwerk wichtig. Aber auch in seinen späteren Arbeiten blitzt regelmässig Skurriles auf – als ob der Schalk dem Künstler bei der Arbeit im Nacken gesessen wäre.
Im hiesigen öffentlichen Bewusstsein weniger verankert sind Klees Zeitgenossen Alfred Kubin (1877–1959) und James Ensor (1860–1949) in dieser Ausstellung. Ensor, ein gebürtiger Belgier, war in den 1920ern eine Berühmtheit. Er malte und radierte fantastische Figuren, meist illustrierten sie symbolträchtig das Groteske jener Zeit.
Mit dem Österreicher Alfred Kubin arbeitete Klee zeitweise intensiv zusammen. Kubin, der sich auch als Schriftsteller betätigte, setzte in seinen grafischen Werken ebenfalls auf eine verzerrte Bildwelt. Im Gegensatz zu Ensor war er jedoch weniger einer heiteren, sondern schwerblütigen künstlerischen Darstellung verpflichtet.
Der freche französische Karikaturist Honoré Daumier (1808–1879) war eine der wichtigsten Inspirationsquellen des jungen Paul Klee. Mehr noch als Feininger war Daumier ein politischer Aktivist. Sein «Lieblingssujet» war der reaktionäre Bürgerkönig Louis Philippe in der ersten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts. Daumier zeichnete ihn nach einer literarischen Vorlage als «Gargantua» – als einen verfressenen und vor allem korrupten Sack. Dafür musste Daumier mit einer halbjährigen Gefängnisstrafe büssen.
Kein Aufbegehren
Für Paul Klee wäre ein solches Aufbegehren gegen die Staatsmacht nie infrage gekommen. Er zog die sanfte, verschmitzte Komik dem scharfen Witz vor. Auch sind bei Klee kaum offenkundige Bezüge zur Tagesaktualität auszumachen, während Daumier diese in fast alle seiner Darstellungen einbaute. Dennoch beeinflusste der zwei Generationen ältere Daumier den Künstler Klee, mit seinem beeindruckenden Werk von mehr als 4000 Lithografien und 1000 Holzschnitten. Klee spürte eine Geistesverwandtschaft mit diesem messerscharfen Analytiker der Dekadenz des europäischen Bürgertums. Denn der Berner fühlte sich wie dieser als Aussenseiter der Gesellschaft. Die Ausstellungsmacher sehen die-se Werke in einem engen Zusammenhang mit der von Klee kritisierten «nationalsozialistischen Revolution».
Satire – Ironie – Groteske
Bis So, 6.10.
Zentrum Paul Klee Bern