Es war für manche ein Schockerlebnis. Irgendwann 2016 tauchten im Grossraum Zürich plötzlich zwei junge Frauen auf und liessen mit kurzen, frechen Konzerten ein ungläubig staunendes Publikum zurück. Der Schock freilich wandelte sich in den meisten Fällen in Begeisterung, viele aber fragten sich, was sie da gehört hatten. Erste Verbalisierungsversuche machten die Runde: Future Pop? Power-Rock? Pink Noise? Sogleich griffen die beiden Musikerinnen durch und stellten kategorisch klar: Wenn schon ein Etikett, dann «Elastic Plastic Space Power Gangster Future Pop». Das klang nicht nur lustig, sondern war auch clever. Denn diese absurd-schrille Selbstdeklaration taucht seither in jedem Artikel und jeder Konzertaffiche zu Ikan Hyu auf.
Von Retro-Pop über Electronica bis Rap
Tatsächlich bieten Hannah Bissegger und Anisa Djojoatmodjo in ihren Bühnenshows eine flackernd flippige Fusion aus Retropop und Psychedelicrock, Heavy Metal und Rap, Electronica und Noise. Und dieses kreativ durchgeschüttelte Sounduniversum erzeugen sie zu zweit, wobei ihre Hände und Füsse pausenlos zwischen Knöpfen, Reglern und Tasten wechseln, aber auch Saiten zupfen oder Pauken dreschen.
Helfen lassen sich Ikan Hyu nur von Ton- und Lichttechnikern. Das Geschehen auf der Bühne ist viel zu komplex, um es anderen zu erklären. Sie funktionierten in blindem Einverständnis und Vertrauen, betonen Bissegger und Djojoatmodjo, die sich zuweilen auch Fox und Mojo nennen. Im Übungskeller geschehe manches intuitiv, beim Aushecken und Verfeinern wollen sie unter sich bleiben.
Ihr Multitasking beschränkt sich nicht aufs Musizieren. Ikan Hyu funktionieren bei aller ästhetischen Spontaneität als Gesamtkunstwerk. Ihre Texte wechseln flink von sozialkritischer Poesie zu wortverspieltem Nonsens. Ihre schrillbunten Outfits sind durchdacht, ihre Videos so kunstvoll wie die Bühnengestaltung und das Design des bislang einzigen Tonträgers «Zebra».
Apropos Tiere: Ikan Hyu bedeutet Haifisch auf Indonesisch. Anisa Djojoatmodjo erweist damit ihrem Vater eine Reverenz, der von der Insel Java stammt. Dem Haifisch fühlen sich die beiden Frauen deshalb verwandt, weil dieses Meerestier offenbar ständig in Bewegung bleiben muss, um nicht zu ertrinken.
Ihre stetige und multiple Beweglichkeit hat den Mittzwanzigerinnen einen Senkrechtstart beschert. Nach den ersten Auftritten wurden sie gleich für weitere Konzerte engagiert. Im letzten Herbst machte sie Radio SRF 3 zum «Best Talent». Bald folgte die EP «Zebra» mit sieben Songs. Aktuell touren Ikan Hyu durch den Open-Air-Sommer bis nach Italien und Indonesien.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass das freakige Frauenduo auf akademischem Fundament agiert. Hannah «Fox» Bissegger und Anisa «Mojo» Djo-joatmodjo lernten sich beim Studium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) kennen. So beginnen heute die wildesten und überraschendsten Karrieren.
Konzerte
Fr, 26.7., 23.15 Mutterschiff Open Air Menziken AG
Sa, 27.7., 22.00 Hardturm-Brache, Stadtsommer Zürich (siehe Seite 4)
Fr, 9.8., 21.15 Steinberggasse, Musikfestwochen Winterthur ZH
Sa, 10.8., 14.00 Festival i de Marktgass Bremgarten AG
www.ikanhyu.ch
CD
Ikan Hyu
Zebra
(Gadget 2018)