Franz Hohler «Geschichten lauern überall»
In Franz Hohlers neuem Erzählband «Der Stein» hält wieder das Unerwartete Einzug. <br />
Der Schriftsteller gibt einen Einblick in sein Schaffen.
Inhalt
Kulturtipp 17/2011
Letzte Aktualisierung:
05.03.2013
Babina Cathomen
Ein roter Stein liegt auf dem Schreibtisch von Franz Hohler – derselbe, der auch das Cover zu seinem neuen Werk ziert. Auf einer Baustelle habe er ihn gefunden und daraus eine Stein-Biografie vom Urknall an erdichtet, erzählt er bei einem Tee in seinem Arbeitszimmer. Der Alltag ist bei Hohler stete Inspirationsquelle. Vom Falter, der ihm frühmorgens auf dem Badezimmerteppich beim Zähneputzen zuschaut, lässt er sich etwa zu einem Gedicht anregen: «Ich habe...
Ein roter Stein liegt auf dem Schreibtisch von Franz Hohler – derselbe, der auch das Cover zu seinem neuen Werk ziert. Auf einer Baustelle habe er ihn gefunden und daraus eine Stein-Biografie vom Urknall an erdichtet, erzählt er bei einem Tee in seinem Arbeitszimmer. Der Alltag ist bei Hohler stete Inspirationsquelle. Vom Falter, der ihm frühmorgens auf dem Badezimmerteppich beim Zähneputzen zuschaut, lässt er sich etwa zu einem Gedicht anregen: «Ich habe die Antennen immer draussen. Für Geschichten braucht es wenig, sie lauern überall.» Seine Texte beginnen oft harmlos, enden aber im Surrealen oder Unerwarteten. Die Abzweigung vom Normalbetrieb in das Ungewöhnliche habe ihn immer interessiert, sagt der Autor, der seine Geschichten auch mit dem Traum vergleicht: «Der Traum ist von der Denkweise her ein Verbündeter für mich.»
Hohlers Werkliste umfasst inzwischen über 50 Bücher aller Gattungen, seine Fantasiegestalten wie «S Totemügerli» haben Kultstatus erlangt. Dennoch bleibt die Lust, Neues auszuprobieren – etwa mit dem grotesken Drama «Sense!» zum Thema Tod, das demnächst Uraufführung feiert. Dem ernsten Stoff trotzt der 68-jährige Kabarettist auch eine humorvolle Seite ab. «Das Kippen von Tragik in Komik und umgekehrt ist in meiner Arbeit ein wichtiger Punkt», resümiert er. Ein neues Kabarettprogramm wird es von ihm aber nicht mehr geben. Ansonsten sei für ihn die Pensionsgrenze von 65 jedoch so unsichtbar wie heutzutage die Grenze zu Europa. Solange er Ideen habe, schreibe er – und diese werden ihm so schnell nicht ausgehen, wie auch der Besuch des kulturtipp zeigt, als er spontan zu einer aus dem Augenblick heraus erfundenen Geschichte ansetzt.
Dem Schreiben widmet sich der Dichter nach festem Stundenplan am Vormittag. Später arbeitet er an seinem Werkarchiv oder beantwortet Briefe, insbesondere von Kindern, die ihn immer wieder mit eigenen fantasievollen Texten überraschen. «Es gefällt mir, dass die Kinder nicht in Ehrfurcht erstarren, sondern sich sagen: ‹Das können wir auch!›» Das Kindliche in sich selbst bewahren, ist ihm ein Anliegen: «Das ist hilfreich im Leben, egal, ob man schreibt oder nicht.»
Oft hat sich der Naturmensch, der in Zürich Oerlikon in einem grossen Haus mit verwunschenem Garten lebt, in seinen Texten gesellschafts- und umweltpolitisch engagiert. Ermüdungserscheinungen kennt er nicht: «Beim Schreiben gehe ich nicht primär vom Nutzen aus, aber wenn ein Text – wie mein Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative – zur Diskussion beiträgt, durch die ganze Schweiz wandert und plötzlich auf Tischsets zu sehen ist, berührt mich das.»
[Buch]
Franz Hohler
Der Stein. Erzählungen
144 Seiten
(Luchterhand 2011).
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