Ein Bild ist rechteckig – oder eben nicht. Das Werk «Lake City» aus den 60er-Jahren erweitert die gängige Vorstellung vom Bild an der Wand zu «geformten Leinwänden» oder «Shaped Canvases». Sie sprengen im wörtlichen Sinn den üblichen Rahmen, ohne deswegen zu verwirren. Im Gegenteil: Die strenge, fast industriell wirkende Geometrie hält den Betrachter in Bann.
Diese beiden Werke sind in der neuen Ausstellung «Frank Stella – Malerei & Zeichnung» im Basler Museum für Gegenwartskunst zu sehen. Sie führt den Besucher in das Frühwerk des in New York lebenden Künstlers ein. Der 78-jährige Stella gehört seit Jahrzehnten zu den anerkannten Figuren des etablierten zeitgenössischen Kunstbetriebs. Mehr noch, er repräsentiert ihn so perfekt wie kaum ein anderer.
Der Durchbruch
Stella schaffte den künstlerischen Durchbruch mit grossflächigen Farbbildern wie «Seward Park» in den 50er-Jahren, inspiriert von seinen damaligen Vorbildern Barnett Newman oder Mark Rothko, die für ihn «Überväter» waren. «Stella reduziert nicht nur die Farbigkeit, sondern verzichtet auf jegliche Andeutung von Raum und Tiefe, sodass Figur und Grund nicht mehr zu unterscheiden sind. Damit vermeidet er jede Illusion und betont die Flächigkeit der Leinwand und deren Objektcharakter», wie es im Ausstellungstext heisst. Oft begnügte er sich mit einzelnen Pinselstrichen, mit denen er Anstrichfarbe auftrug.
Um weiterzukommen, wandte sich Stella radikal von seinen Vorbildern ab – und experimentierte mit Schwarz. Feine Linien in dieser künstlichen Dunkelheit simulieren einen räumlichen Eindruck.
Diese Werke illustrieren seinen einfachen Satz über das Verhältnis zwischen Betrachter und Kunst «What you see, is what you see». Mit anderen Worten: Der Künstler kann und will keinen Einfluss auf das Kunstverständnis seines Kunden nehmen. Dieser soll gedanklich damit machen, was er will.
Der «Kunde» als Betrachter ist im Fall von Frank Stella das richtige Wort. Denn Stella war stets ein geschickter Geschäftsmann, der um den Wert seiner Kunst wusste. Er scheute sich auch nicht, Auftragsarbeiten für kommerzielle Kunden wie etwa die Automarke BMW auszuführen. Zumal Autos stets sein Herz erfreuten; er war lange Zeit Besitzer eines Ferrari, bis ihn der aufwendige Unterhalt des Fahrzeugs so sehr nervte, dass er darauf verzichtete, wie er der «Süddeutschen Zeitung» am Rand der Rennstrecke von Hockenheim erzählte.
Der Vermarkter
Frank Stella wusste auch immer, wie er die Kritik auf sich aufmerksam machen konnte, etwa 1959 mit dem dunklen Werk «Die Fahne Hoch!», Worte, die an das Horst-Wessel-Lied der Nationalsozialisten erinnerten. Das Bildformat soll den Proportionen der Hakenkreuz-Fahnen entsprochen haben. Das war eine Provokation in einer Zeit, als noch viele Angehörige von Kriegsopfern lebten.
Der Künstler entstammt einer italienischen Einwandererfamilie und wuchs in Massachusetts auf. Nach der Schulzeit besuchte er die renommierte Princeton University und liess sich später in New York nieder, wo er die Journalistin Barbara Rose heiratete, die sich einen Namen als Kunstkritikerin machte.
Der Mann ist im US-amerikanischen Kunstbetrieb bekannt wie ein bunter Hund. Wo immer sich ein handfester Streit in der Branche abzeichnet, ist er gerne dabei. So setzt sich Stella mit Verve für die Urheberrechte der bildenden Künstler ein oder mischte bei öffentlichen Debatten über die Führung des New Yorker Museums of Modern Art mit. «Grossmaul» («Big Mouth») nannte ihn die «New York Times», die ihrerseits nicht für leise Töne bekannt ist. «Er ist der Typ reicher Künstler, der aussieht, als könne er sich keinen Kamm leisten.» Und der Kunstkritiker Walter Robinson doppelte etwas ungerecht nach: «Ich bewundere Stella, weil er die hässlichste Kunst macht, die man sich heute denken kann.» Damit bezog er sich allerdings nicht auf das Frühwerk, das jetzt in Basel gezeigt wird.
Robinson meinte vielmehr Stellas Installationen um 2005, die für den Betrachter tatsächlich gewöhnungsbedürftig sind. Seit Mitte der 1980er wandte sich Stella mehr und mehr den Skulpturen zu, die er in immer wieder neuen Varianten weiterentwickelte.
Stella wird sich trotz dieser polemischen Kritik nicht grämen. Dafür ist er als Künstler eine Nummer zu gross. Die Basler Ausstellung soll dem Besucher nun zeigen, auf welchem künstlerischen Weg er das werden konnte, was er heute ist, einer der Leuchttürme der US-amerikanischen Nachkriegskunst.
Frank Stella – Malerei & Zeichnung
Sa, 9.5.–So, 30.8. Museum für Gegenwartskunst Basel