Mitunter sind die Sujets kryptisch. Eine Rasierklinge für das Ballett «Woyzeck» nach Georg Büchner? Oder eine Pille für «La Traviata» – beide Motive erschliessen sich dem Opernhausbesucher nicht auf den ersten Blick. Während eine Feder für «Schwanensee» eher für jeden und jede auf der Hand liegt.
Der Mann hinter diesen Plakaten heisst François Berthoud; der 55-jährige Künstler stammt aus dem Neuenburger Jura und liess sich in Lausanne zum Gestalter ausbilden. Berthoud gehört heute zu den führenden europäischen Modekünstlern. Er arbeitet für sämtliche wichtigen Labels wie Christian Dior, Bulgari, und Yves-Saint Laurent, seine Bilder zierten die Titelseiten von Zeitschriften wie «Vogue» oder «Vanity Fair». Für das «New York Times Magazine» verewigte er den Wikileaks-Exponenten Julian Assange auf der Titelseite. Berthoud hat Erfahrung mit verschiedenen Techniken, er druckt, zeichnet, und er setzt auf das Dripping, auf das Tröpfeln von Farbe, das zu «kontrollierten Zufällen» führt. Die Opernhausplakate beruhen auf Linolschnitten.
Von der Mode zur Oper
François Berthoud bewegt sich geschickt im Grenzbereich zwischen Kunst und Gebrauchsgrafik, immer ein bisschen zeitgeistig, aber meist tiefer schürfend als die gängigen Alltagsgestalter. Seine Bildsprache ist oft erotisch aufgeladen, wobei er sich vor dem Expliziten hütet und lieber auf Unterstellungen setzt, die beim Betrachter zwangsläufig einschlägige Assoziationen auslösen.
«Ich öffne den Kundinnen ein Fenster», sagt Berthoud zu seiner Arbeit und erinnert daran: «Mode ist stets Verführung.» So verleitet er betuchte Modeträgerinnen berufshalber zum Kauf von raffiniert geschnittenen Stoffen. Zu ihrem Besten, wie er überzeugt ist: «Es lohnt sich, auf der Theaterbühne des Lebens einen guten Eindruck zu hinterlassen.» Nun also hat er die Bühne des Opernhauses entdeckt, und öffnet den Musikbegeisterten diesen Vorhang. 48 der von ihm geschaffenen Plakate im Zürcher Museum für Gestaltung geben nun Einblick in die Bildwelt Berthouds.
kulturtipp: Helfen Sie uns auf die Sprünge: Was hat eine Rasierklinge mit dem Schicksal von «Woyzeck» zu tun?
François Berthoud: Diese Werbekampagne will mit einem Objekt das Wesen einer Oper erklären. Eine Klinge steht für das Leiden dieses Protagonisten, etwas Bedrohliches, das Fragen nach der Humanität stellt. Dazu kommen ästhetische Aspekte; eine Rasierklinge ist ein schönes Objekt.
Wie soll man die Pille von «La Traviata» verstehen?
Die Hauptfigur Violetta ist krank, eine Pille trägt zur Besserung bei. Ich unterstelle ihr, dass sie Medikamente schluckt.
Und bei der Gestaltung der Plakate: Arbeiten Sie da eng mit dem Regisseur zusammen?
Wir haben eine kleine Kreativgruppe mit dem Regisseur, dem Dramaturgen, dem Intendanten und den Marketingleuten. Das ist ein offener Prozess, in dem jeder das Seine beiträgt.
Das sind Ihre Kunden, schreiben die Ihnen zuletzt vor, was Sie zu tun haben?
Nein, nein, wir entscheiden zusammen; wir einigen uns in der Diskussion auf ein Motiv. Jeder kann seine Ideen einbringen, ich weiss nicht mehr, wer die Rasierklinge für «Woyzeck» aufs Tapet brachte. Ist eine Idee da, mache ich eine Skizze, und wir schauen, ob sich das überhaupt umsetzen lässt. Danach folgt meine eigentliche Arbeit. Die schreiben mir nichts vor, die arbeiten ja den ganzen Tag mit Künstlern zusammen und wissen, was man von ihnen verlangen kann, ohne sie einzuschränken.
Dann bringen Sie verschiedene Vorschläge zur Auswahl?
Nein, manchmal diskutieren wir allerdings über die Farbwahl.
Sie sprechen mit Ihren Postern den Intellekt an. Wäre es nicht sinnvoller, populärer zu sein, um mehr Leute in die Oper zu bringen?
Man bringt die Leute nicht so einfach in die Oper, da braucht es viel dazu. Die Werbekampagne ist nur ein Aspekt, den man nicht überbewerten darf. Mir ist es wichtig, zum guten Image des Opernhauses beizutragen. Zudem hängen meine Plakate das ganze Jahr hindurch in den Städten – ausser im Sommer. Die Motive sollten möglichst viele Leute ansprechen – auch diejenigen, die nie in die Oper gehen. Ich respektiere die Leute und will sie mit meiner Grafik erfreuen.
Da treffen Sie sich mit Ihren Ansprüchen bei der Modekunst.
Ja, das kann man so sehen. Meistens arbeite ich für Luxusgüter, und die Oper fällt ebenfalls in diese Kategorie.
François Berthoud – Opéra
Fr, 18.3.–So, 29.5. Museum für Gestaltung Zürich Schaudepot im Toni-Areal