Winter geht einfach», sagt Adrian Frutiger. Er steht auf dem Zürcher Sonnenberg und blickt ins Weite. Die Sonne scheint tatsächlich, aber es weht eine scharfe Bise. «Du musst auf den Wind hören, die Kälte spüren», erklärt er, «und dann alles in hohe, luftige Töne packen.» Dies hat der Zürcher Filmkomponist variantenreich für die SRF-Serie «Wilder» getan. Gerade läuft die dritte Staffel. «Mit viel Winter», lacht Frutiger und lauscht neugierig einem vorbeiratternden Kleinlaster nach.
Der bald 50-jährige Zürcher kann auch den Sommer zum Klingen bringen. Er kann Spannung erzeugen, Trauer oder Festfreude, wie für den Film «Wolkenbruch». Das war einer seiner aufwendigeren Soundtracks: «Die Musik nahm ich in Zürich mit der Klezmerband Cheibe Balagan auf und in Prag mit dem City of Prague Philharmonic Orchestra.»
50 Sound-Skizzen für «Wilder»
Sonst arbeitet Frutiger meist mit elektronischer Musik. Bei der neuen «Wilder»-Staffel mussten die Drehs Corona-bedingt verschoben werden. «So habe ich aufgrund des Drehbuchs einen Baukasten von rund 50 Sound-Skizzen angelegt, aus denen ich beim Schnitt dann die Bilder vertonen konnte.» Wesentlich lieber arbeitet er mit fertigen Filmsequenzen. «Die haben schon einen Rhythmus, auf den ich reagieren kann», betont Frutiger. Beim Filmen basiere alles auf Rhythmus. «Und Musik betont den Ablauf der Bilder.» Umso bedenklicher sei, wie wenig Filmmusik kosten dürfe. «In Hollywood sind es im Durchschnitt 2 Prozent des Budgets, in der Schweiz 0,5 Prozent.» Um von seiner Arbeit leben zu können, sei er deshalb auf Werbeaufträge angewiesen. Erstaunlich, wenn man einen Blick auf «seine» Filme wirft – mehrere «Tatort»-Folgen oder Kino-Erfolge wie «Mein Name ist Eugen», «Grounding» oder «Sennentuntschi».
Bei letzteren führte Michael Steiner Regie. Und mit dessen Erstling hat auch Frutigers Karriere begonnen. Für «Die Nacht der Gaukler» hat er 1996 wagemutig seine erste Filmmusik komponiert, mit der er prompt den europäischen Förderpreis der Filmmusikbiennale Bonn gewann. Seither arbeitet Frutiger mit Steiner zusammen. Andere Aufträge ergeben sich aus dem geknüpften Netzwerk.
«Musik ist wie Sprache im stetigen Wandel»
Eine musikalische Ausbildung hat Frutiger nicht. «Ich kann nicht mal Noten lesen», schmunzelt er. «Aber ich bin Audiodidakt, habe mir alles ‹er-hört›.» Und «er-spielt», seit er als Jugendlicher mit Elektronik tüftelte. Als Vorbilder nennt er das Zürcher Duo Yello, als Ikone Ennio Morricone. Aber solch melodiöse Musik sei heute nicht mehr gefragt. «Musik ist wie Sprache im stetigen Wandel. Im Film sind aktuell weniger Melodien gefragt als flächige, pulsierende Sounds. Da liege ich richtig mit meiner Elektronik.» Wenns dann doch mal Orchesterklänge brauche, lasse er seinen Computer Partituren ausspucken, die er mit einem Spezialisten durcharbeite.
Für «Wilder» greift Frutiger auch mal zu analogen Instrumenten. «Wenns böse klingen muss, miete ich ein Cello und kratze darauf meine Ideen, die ich im Computer bearbeite.» So flösst man Zuschauern Schauer ein.
Wilder
Jeweils Di, 20.05 SRF 1
Alle Folgen: www.playsuisse.ch
www.adrianfrutiger.com