Die Filmmusik gewinnt neu an Stellenwert. In Zürich, Luzern, Winterthur oder Basel werden erfolgreiche Kinofilme wie «The Lord Of The Rings», «Harry Potter», «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» oder «E.T. – Der Ausserirdische» mit einem Sinfonieorchester aufgeführt. Der Live-Soundtrack erzeugt die extra Gänsehaut.
Film und Musik sind seit den Anfängen des Kinos miteinander verbunden. Schon 1895 liessen die Gebrüder Lumière in Paris ihre Kurzfilme von einem Pianisten live untermalen. Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden die ersten Kinoorchester, welche die «Originalmusik» zum Film spielten. 1927 gelangte dann mit «Der Jazzsänger» der erste lange Tonspielfilm in die Kinos.
Pionierarbeit in Luzern
Die musikalische Live-Begleitung von Filmen war in der Stummfilmzeit gebräuchlich. Diese Tradition wird in der Schweiz vom «Institute of Incoherent Cinematography» (ioic) weitergepflegt und erneuert. Das Institut mit Sitz in Zürich veranstaltet jährlich einen mehrtägigen Stummfilm-Marathon mit Live-Vertonungen zu einem klar definierten Thema. Das Besondere daran: Das stilistische Spektrum ist sehr breit und experimentierfreudig.
Das Format der Live-Vertonung von Kinofilmen mit grossen Orchestern ist erst vor zehn Jahren in Luzern vom Dirigenten Ludwig Wicki und dem 21st Century Orchestra lanciert worden. «Ein glücklicher Zufall», sagt Wicki. 2007 habe das 21st Century Orchestra ein Programm des bekannten Filmmusik-Komponisten Howard Shore («The Lord Of The Rings», «Seven», «Naked Lunch») aufgeführt und diesen nach Luzern eingeladen. «Wir kamen ins Gespräch, und dabei hat mir Shore seine Filmmusik von ‹The Lord Of The Rings› für eine Live-Inszenierung angeboten.»
Eine intensive Zusammenarbeit
Für Live-Orchester-Film-Pro-jekte müssen die Filme neu hergestellt werden: Die Musik wird herausgeschnitten, lediglich die Dialoge und Geräusche werden über die Lautsprecher gesendet, während die Musik live vom Orchester interpretiert wird. Dazu müssen auch die Partituren mit den Orchesterstimmen neu geschrieben werden. Die Premiere mit «The Lord Of The Rings» im KKL Luzern 2008 war gleichzeitig eine Weltpremiere: Einen aktuellen Blockbuster mit einem Live-Orchester zu kombinieren, das hatte noch niemand gemacht.
Wicki begann, intensiv mit Filmkomponisten und Studios zusammenzuarbeiten. Bis heute hat er über 30 Premieren mit einigen der renommiertesten Orchestern auf der ganzen Welt dirigiert. Getrübt wird die Erfolgswelle durch einen Streit zwischen dem 21st Century Orchestra und dessen ehemaligem Produktionsleiter, der inzwischen unter dem Label City Light Concerts eigene Live-Film-Projekte realisiert. Was bei allen unschönen Nebeneffekten letztlich aber zeigt, wie lukrativ dieses Business geworden ist.
Während Ludwig Wicki mit seinem 21st Century Orchestra im KKL Luzern oder im Hallenstadion Zürich auftritt, ist auch das City Light Symphony Orchestra unter Kevin Griffiths mit jährlich rund 30 Konzerten aktiv.
Auch in Winterthur und Basel beliebt
Das Musikkollegium Winterthur veranstaltet in Zusammenarbeit mit der europäischen Film Philharmonie Film-Live-Musik-Events im Theater Winterthur. «Das Stammpublikum hat Freude», sagt Ulrich Amacher vom künstlerischen Betriebsbüro, «zudem können wir je nach Film weitere Kreise ansprechen.»
Von einem «tollen Erfolg» spricht Andreas Lucco, Mediensprecher des Sinfonieorchesters Basel, das seit der Saison 2018/19 mit der Vermittlung von City Light Concerts unter dem Titel «Concert & Cinema» ebenfalls Live-Filmkonzerte anbietet. Nach «Indiana Jones» und «Ein Amerikaner in Paris» folgt im Februar «E.T. – Der Ausserirdische». Lucco: «Wir wollen das Spektrum der klassischen Konzertformate erweitern. Gleichzeitig spüren wir das Bedürfnis unseres Publikums.»
Veranstalter, Dirigenten und Experten sind sich einig über die Gründe dieses Live-Film-Konzert-Booms. Es ist die Intensität eines Live-Orchesters, oft mit Chor erweitert, die für ein ungleich emotionaleres Erlebnis als im Kino sorgt. «Der Live-Klang hat einfach eine andere Dimension», sagt Andreas Lucco. «Für Auge und Ohr ist es die geballte sensorische Unterhaltung.» Ludwig Wicki erlebt diese Events als «Spektakel mit viel Action und Power». Zudem rückten sie die Musik etwas stärker in den Vordergrund. «Das tut vielen Filmen auch gut.»
In Concert: Bond, Piraten und Haselnüsse
Im Dezember und Januar finden in Luzern, Zürich, Winterthur und Basel verschiedene Live-Film-Konzerte statt. Eine Übersicht nach Orchestern.
21st Century Orchestra unter Ludwig Wicki
The Lord Of The Rings – The Fellowship Of The Ring
Do, 12.12., 19.00
Hallenstadion Zürich
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Fr, 13.12., 19.00 / Mo, 23.12.,
16.00 & 19.30 / So, 5.1., 18.30
KKL Luzern
Disney In Concert –A Musical Journey
Mo, 16.12. & Do, 17.12., 19.30
KKL Luzern
Harry Potter
Fr, 24.1., 19.30 Hallenstadion
Zürich www.21co.ch
City Light Symphony Orchestra unter Kevin Griffiths
Skyfall 007
Fr/Sa, 6.12./7.12. & Fr/Sa, 27.12./
28.12., 19.30 / So, 8.12., 18.30
KKL Luzern
Home Alone
Sa, 21.12., 19.30 / So, 22.12.,
18.30 Samsung Hall Zürich
Downton Abbey (Highlights aus allen sechs Staffeln der TV-Serie)
So, 29.12., 18.30 / Di, 31.12.
21.00 KKL Luzern
Beauty And The Beast
(Leitung: Anthony Gabriele)
Fr/Sa, 17.1./18.1. &
Sa, 25.1.,19.30
KKL Luzern
Nuovo Cinema Paradiso
(Leitung: Thiago Tiberio)
So, 19.1., 17.00
KKL Luzern
Pirates Of The Caribbean
Fr, 24.1., 19.30
Samsung Hall Zürich
www.citylightconcerts.ch
Musikkollegium Winterthur unter Kevin Griffiths
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (Familienkonzert)
Sa, 21.12., 18.00
So, 22.12., 14.30
Theater Winterthur ZH
www.theater.winterthur.ch
Sinfonieorchester Basel unter Ernst van Tiel
E.T. – Der Ausserirdische
Sa, 1.2., 19.30
Musical Theater Basel
www.musical.ch