Contra
Internationale Streaminganbieter wie Netflix oder Disney+, aber auch inländische Streaminganbieter – betroffen sind Swisscom, UPC/Sunrise usw. – müssen mit dem neuen Filmgesetz jährlich mindestens 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttoumsatzes ins Schweizer Filmschaffen investieren. Andernfalls müssen sie eine entsprechende Ersatzabgabe ans Bundesamt für Kultur zahlen. Die Streaminganbieter werden zudem verpflichtet, ihren Filmkatalog mit mindestens 30 Prozent europäischen Filmen zu füllen.
Zur Investitionsverpflichtung: Die Streaminganbieter werden neu gezwungen, mit Schweizer Filmschaffenden zusammenzuarbeiten und Schweizer Filme anzukaufen. Sie haben – anders als heute – keine freie Wahl mehr. Und genau weil sie sich von diesem Zwang nicht befreien können, handelt es sich bei der Investitionsverpflichtung um eine Filmsteuer: Private Mittel werden zwangsweise entzogen und umverteilt. Es geht um Kosten von 20 bis 30 Millionen Franken pro Jahr. Es liegt auf der Hand, dass die Streaminganbieter diese hohen Kosten auf uns Konsumierende abwälzen werden. Wir werden also künftig alle höhere Abogebühren für Netflix, Disney+ etc. bezahlen müssen. Und das ist unfair! Bereits heute fliessen nämlich rund 140 Millionen Franken aus öffentlicher Hand in das einheimische Filmschaffen. Allein Bund, Kantone und Gemeinden fördern mit unseren Steuergeldern den Schweizer Film jährlich mit rund 84 Millionen Franken (eine Zunahme um 50 Prozent seit 2010). Auch die SRG steckt – wohlgemerkt mit unseren Gebührengeldern – rund 50 Millionen Franken pro Jahr in den nationalen Filmtopf. Es geht nicht an, dass wir via unsere Abonnements nun ein drittes Mal zur Kasse gebeten werden.
Der Blick auf das europäische Umland offenbart zudem, dass die Schweiz völlig über das Ziel hinausschiesst. Die Befürworter des Filmgesetzes argumentieren, die Filmsteuer sei moderat ausgefallen. Länder wie Frankreich und Italien würden viel höhere Filmsteuersätze verlangen. Nur: Frankreich und Italien liegen auf Platz 1 und 2. Mehr als die Hälfte der europäischen Länder kennt keine Filmsteuer, darunter Grossbritannien, Österreich, Schweden oder Norwegen – Länder, die erstklassige Filme und Serien produzieren. Die übrigen kennen viel tiefere Sätze, der Durchschnitt liegt bei etwa 2 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist die neue 4-Prozent-Filmsteuer völlig unverhältnismässig.
Noch absurder als die Filmsteuer ist die Regelung, dass Streaminganbieter mindestens 30 Prozent ihres Filmangebots für europäische Filme reservieren und diese Filme gar besonders kennzeichnen müssen. Dabei spielt die Qualität keine Rolle, ebenso wenig die Nachfrage nach solchen Filmen. Fakt ist: Wir Konsumierende abonnieren Netflix etc., weil wir dort in erster Linie (süd-)amerikanische sowie asiatische Filme und Serien schauen wollen. Diese Filme und Serien würden jedoch der 30-Prozent-Quote zum Opfer fallen, mithin aus den Filmkatalogen entfernt. Das wäre ein Schlag ins Gesicht – genauer: in die Augen – von uns Konsumierenden, die wir mit unserem eigenen Geld ein Abonnement bezahlen. In der berechtigten Erwartung, dass wir das beste Angebot erhalten und bestimmt keine ungerechte Filmquote.
Das Filmgesetz ist ein Affront gegen die Konsumierenden und zeugt von einem bedenklichen protektionistischen Geist. Sagen wir zu diesem Irrweg gemeinsam Nein am 15. Mai!
Matthias Müller: Präsident Jungfreisinnige Schweiz, Präsident Referendumskomitee «Filmsteuer Nein»
Pro
«Die göttliche Ordnung», «Neumatt», «Tatort», «Wolkenbruch», «The Swarm» und viele mehr: Als Schweizer Filme und Serien gelten Werke unabhängiger Schweizer Produktionsfirmen sowie internationale Co-Produktionen mit Schweizer Beteiligung. Ich identifiziere mich als Schweizer Schauspielerin mit der Vielfalt und der hohen Qualität der Filme, die ich bereits in diesem kleinen Land und darüber hinaus gedreht habe. «Die göttliche Ordnung» schaffte es unter die letzten 15 Kinofilme im Auswahlverfahren zum Oscar für den besten ausländischen Film 2017. Die Serie «Neumatt» wurde von Netflix eingekauft, die Arthouse-Produktion «Spagat» ist als einzige deutschsprachige Produktion am internationalen A-Festival in San Sebastian gezeigt worden und gewann unter anderem den Zürcher Filmpreis. Das spricht für sich. Ja – wir können, wenn wir dürfen!
Es gibt sie also, die erfolgreiche und diverse Filmlandschaft. Aus Erfahrung kann ich sagen: Es gibt auch das grossartige Schweizer Publikum, das weiter mündig, differenziert und neugierig auf unser Filmschaffen schauen möchte. Wir würden gerne mit Ihnen zusammen weiterwachsen. Denn wir haben noch viele Geschichten und unentdeckte Talente in diesem Land, die wir Ihnen vorstellen möchten.
Damit sich das Schweizer Filmschaffen entfalten kann, gilt es, auf den digitalen Wandel zu reagieren, der beim Filmkonsum deutlich zu spüren ist. In vielen europäischen Ländern ist die Filmbranche dank Investitionspflichten der internationalen Streamingplattformen aufgeblüht. Das hat zu Hits aus diesen Ländern geführt – so wurde etwa die spanische Serie «Haus des Geldes» auf Netflix zum Welterfolg. Genau hier setzt das neue Filmgesetz an: Auch in der Schweiz sollen Streamingplattformen neu einen kleinen Anteil von 4 Prozent ihrer Einnahmen in Serien und Filme investieren – wie schon private Schweizer Fernsehsender. Diese 4 Prozent erlauben der Schweiz, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten, und ermöglichen unseren Produktionen den Zugang zum internationalen Filmmarkt.
Mit einem Ja zum Filmgesetz sagen Sie Ja zu uns Filmschaffenden, zu Berufen, die mit grosser Leidenschaft und Know-how ausgeübt werden. Nebst uns Schauspielerinnen, Drehbuchautoren, Regisseurinnen sind das zahlreiche andere Berufe wie Kamerafrau, Beleuchter, Kostümbildnerinnen, Maskenbildner, Kaufmann audiovisuelle Medien, Cutterinnen und andere mehr. Die Zunahme von Dreharbeiten in der Schweiz schafft Arbeitsplätze und wird so auch den lokalen Unternehmen zugutekommen. Anstatt alle Einnahmen von internationalen Streamingplattformen in der Schweiz ins Ausland abfliessen zu lassen, fördert das Gesetz das Filmschaffen, indem es die Schweiz mit international fairen und vergleichbaren Bedingungen ausstattet. Es gibt keine Nachteile. An den Preisen der Streaming-Anbieter ändert das Filmgesetz nichts, diese sind (unabhängig von einem Ja) leider schon heute höher als in anderen europäischen Ländern. Ebenso wenig werden öffentliche Mittel respektive Steuergelder tangiert.
In vergangenen Jahren wurde ich reich beschenkt mit positivem Feedback von nationalem und internationalem Publikum: ein altersdurchmischtes und diverses Publikum, das sich berühren lässt, in die Geschichten eintaucht und – Ja! – Fan ist vom Schweizer Filmschaffen. Das motiviert die Filmschaffenden in diesem Land. Es bildet die Grundlage, uns für ein Ja zum Filmgesetz zu engagieren. Damit wir gross denken dürfen und unser kreatives Potenzial international noch erfolgreicher seine Wirkung entfaltet. Mit einem Ja zum Filmgesetz schenken Sie sich ein grosses Stück Förderung der Angebotsvielfalt. Wir bedanken uns sehr herzlich dafür!
Rachel Braunschweig: Schauspielerin («Neumatt», «Spagat», «Zwingli» und andere, Schweizer Filmpreis für «Die göttliche Ordnung»)