Steht ein Piano in der Landschaft. Aus seinem aufgeplatztem Deckel spriesst ein Baum, während sich von unterhalb der Klaviatur ein Wasserstrom in ein kleines Becken ergiesst.
«Necrophilic Fountain from a Great Piano» (1932) heisst das Bild von Salvador Dalí (1904–1989), das der französische Regisseur Quentin Dupieux zu Beginn als Liveanimation vor führt. Es ist vielleicht das Klarste und Verständlichste an dieser Filmbiografie über den spanischen Künstler, der dem Surrealismus nicht nur einen Namen, sondern auch seinen signifikanten Schnauzbart verlieh.
In «Daaaaaalí!», so viel darf man verraten, haben sich zwei Seelenverwandte gefunden, auch wenn das Resultat kein klassisches Biopic ist, sondern viel mehr eine albtraumhafte Dekonstruktion davon.
Zunächst möchte die von der Apothekerin zur Journalistin umgeschulte Judith (Anaïs Demoustier) den grossen Künstler interviewen, doch sie prallt wiederholt an seinem exzentrischen Gebaren ab. Beste Ausrede Dalís: «Keine Kamera hier? Ich gehe.» Zweitbeste Ausrede: «Es regnet tote Hunde hier, zu viel Lärm.»
Nur einer wie Dupieux kann Dalí gerecht werden
Die Journalistin gibt sich trotz dem Mühe, auch wenn sie bald selbst zur Interviewten wird. Und irgendwie landen wir mit Dalí bei seinem Gärtner am Esstisch, wo bei einem entsetzlichen Mahl ein Priester von seinem Traum erzählt, der anscheinend nie endet – oder immer wieder von vorne beginnt. Man weiss es nicht genau. Realität, Künstlichkeit und Fantasie haben sich da längst überlagert.
Was man weiss, ist, dass Quentin Dupieux zweifellos der richtige Regisseur für diese überkandidelte Hommage ist.
Der Mann, der einst einen bösartigen Autoreifen durch die Wüste schickte («Rubber», 2010), der Möchtegernganoven mit einer überdimensionalen Fliege konfrontierte («Mandibules», 2020) und der zuletzt einen Theaterzuschauer in terroristischer Manier gegen das laufende Stück protestieren liess («Yannick», 2023) – ja, der Mann ist Surrealist genug, um Superstar Dalí gerecht zu werden.
Fünf Männer mit gezwirbelten Schnäuzen
Am besten gelingt das, wenn Dupieux sein Sujet von fast einem halben Dutzend Männern mit gezwirbelten Schnäuzen darstellen lässt, die so affektiert durch die Gegend stolzieren und parlieren, als seien sie fleischgewordene Klischees.
Was einzeln kaum funktionieren würde, wirkt in der Summe phänomenal. Ein Genuss ist zudem der verspielt filigrane Soundtrack von Ex-Daft-Punk-Mitglied Thomas Bangalter.
Und die Kunst? Die ist in «Daaaaaalí!» zentral. Zum Beispiel schaut man dem Maestro beim Malen von «The Average Fine and Invisible Harp» (1932) zu, einem Bild mit zwei Männern, von denen einer ein Tuch im Mund hält und der andere seinen verlängerten Kopf auf eine Gabel stützt.
Dass Dupieux da ein wenig geschummelt hat – geschenkt. Aber «Daaaaaalí!» macht einfach mehr Spass, wenn mitten im Nirgendwo drei sonderbare Gestalten über Arbeitszeiten und schlechte Telefonverbindungen debattieren.
Daaaaaalí!
Regie: Quentin Dupieux, F 2024
77 Minuten, ab Do, 25.7., im Kino