Er war, so hiess die offizielle Bezeichnung, Maschinist für Tagesbaugrossgeräte. In Andreas Dresens Film sitzt Gerhard «Gundi» Gundermann (1955–1998) denn auch in der Kabine eines gigantischen Schaufelradbaggers, mit dem man in der ostdeutschen Lausitz Kohle fördert. Dort spricht Gundermann Gedanken und Ideen für Songtexte in ein Diktafon: «Ich gehöre zu den Verlierern. Ich habe aufs richtige Pferd gesetzt, aber es hat nicht gewonnen.»
Er glaubt an die DDR und prangert das Unrecht an
Der Liedermacher hat sich bis zur Erschöpfung aufgerieben in den Widersprüchen seines Lebens, aber vor allem in der doppelten Dauerbelastung von Brotarbeit und Kunst. Gundermann wollte authentisch bleiben und nicht abhängig sein von der Musik: «Ich will meine Lieder nicht für Brot spielen.» Wenn die anderen nach dem Konzert noch etwas zusammen trinken, geht Gundermann oft schon nach Hause, weil er Frühschicht hat. Ein anstrengender Lebenswandel ist das, der wohl auch verantwortlich war für seinen frühen Tod durch eine Hirnblutung.
Gundermann, der überzeugte Kommunist, glaubt an das System der DDR, und sieht dennoch dessen Abirrungen und Missstände. Wenn er Unrecht spürt, hält er seine grosse Klappe nicht. Aus der Offiziershochschule wird er rausgeschmissen wegen Befehlsverweigerung. Beim Besuch eines Ministers in der Zeche weist er vor laufenden Kameras und Mikrofonen auf die fragwürdige Arbeitssicherheit hin. Auch bei seiner Mitgliedschaft in der Staatspartei SED eckt er an: Der Querdenker wird zwar als Mitglied aufgenommen, ein erster Ausschluss wird noch in eine Rüge umgewandelt, bis er dann definitiv seine Mitgliedschaft verliert.
Conny, Sängerin in seiner Band, wird Gundermanns Frau. Einmal ermahnt sie ihn: «Musst du immer gegen den Strom schwimmen?» Er: «Wenns sein muss.» Zu seinen persönlichen Widersprüchen gehört auch das Stasi-Kapitel. 1976 bis 1984 war der Liedermacher IM (Informeller Mitarbeiter), Spitzel der Staatssicherheit. In den Folgejahren wurde er selber bespitzelt.
«Ostalgie» gibt es bei Regisseur Dresen nicht
Schauspieler Alexander Scheer hat sich die Rolle von Gerhard Gundermann richtiggehend einverleibt. Etwas Maske (Nase, Zähne, Haare) machen die täuschende Ähnlichkeit aus. Dazu die Sprechweise – und das Singen: Scheer singt alle Lieder im Film selber. Das ist stimmig, wie auch die Rekonstruktion der 1970er- bis 1990er-Jahre.
Andreas Dresen, der das Drehbuch seiner langjährigen Mitarbeiterin Laila Steiler umgesetzt hat, ist im ostdeutschen Gera geboren. So etwas wie verklärende «Ostalgie» ist ihm in seinen Filmen verhasst. Für ihn ist «Gundermann» ein Film «über den Versuch eines Menschen, sich mit dem eigenen Leben, mit möglicher Schuld und der Vergangenheit in einem untergegangenen Land auseinanderzusetzen. Und dann natürlich über einen grossen Poeten.» Es ist ein spannender Musikfilm, anrührender Biografiefilm, aufschlussreicher Geschichtsfilm.
Gundermann
Regie: Andreas Dresen
Ab Do, 13.9., im Kino