Kiew im Jahr 2013. Die 15-jährige Kunstturnerin Olga (Anastasia Budiashkina) trainiert im ukrainischen Nationalteam. Olgas Mutter Ilona (Tanya Mikhina) ist eine engagierte Journalistin, die gegen die Korruption im Land unter der Präsidentschaft von Wiktor Janukowytsch anschreibt. Ein gefährlicher Beruf: Als sie eines Abends ihre Tochter vom Training abholt, wird ihr Auto gerammt.
Originalaufnahmen der Maidan-Demonstration
Ilona schickt Olga in die Schweiz, in Sicherheit. Olgas verstorbener Vater war Schweizer. Im Sportzentrum Magglingen trainiert die junge Ukrainerin nun im Schweizer Nationalteam. Sie ist mit eiserner Disziplin mit dabei. Sie kann, wenn die Leistung stimmt, für die Schweiz antreten. Eine Doppelbürgerschaft ist allerdings nicht möglich. Olga muss sich entscheiden zwischen der Ukraine und der Schweiz.
Olgas persönliche Lage ist schwierig. Sie bewegt sich in einem Spannungsfeld, fühlt sich zerrissen zwischen zwei Welten. Verstärkt wird alles durch politische Ereignisse. Sie erfährt von den Maidan-Demonstrationen, auf die der staatliche Repressionsapparat mit massiver Gewalt reagiert. Der Spielfilm verwendet für diese historischen Szenen viele authentische Originalaufnahmen, die Demonstranten mit ihren Handys im Zentrum von Kiew gemacht haben. Die Lage in der Ukraine verschärft sich. Olga erfährt, dass ihre Mutter übel zugerichtet ins Spital eingeliefert wurde.
Beim Wettkampf in der Porsche-Arena in Stuttgart 2014 begegnen sich Olga und ihre beste Freundin Sasha als Teilnehmerinnen in konkurrierenden Nationalteams. Sasha nutzt ihren sportlichen Auftritt für ein politisches Statement und stört mit «Free Ukraine!»-Rufen die sportliche Sonntagsruhe. Daheim beteiligt sie sich militant weiter an vorderster Front für die Sache der Demokratie auf dem Maidan.
Schauspielerisch wie sportlich bravourös
Der Film macht am Ende einen Zeitsprung ins Jahr 2020. Olga ist zurück in Kiew, die Geschichte geht weiter. Sasha fragt verzweifelt-fatalistisch: «Wie sol-len wir nur damit umgehen?» Die Nachrichten vermelden die Annexion der Ostukraine durch Russland …
«Olga» ist der erste Langspielfilm des 1994 geborenen Filmers Elie Grappe. Sein starkes Debüt ist aktuell für den Schweizer Filmpreis nominiert. Dem Regisseur ist es bestens geglückt, Fiktion in einem quasi-dokumentarischen Rahmen zu präsentieren, vom Individuellen und vom Kollektiv zu erzählen. Er habe einen Film drehen wollen «über das Leben im Exil, wo sich die Heldin nicht zugehörig fühlt, zwischen der Loyalität zweier Nationalitäten hin- und hergerissen ist und sich mit einer geopolitischen Situation konfrontiert sieht, die sie überfordert».
Ein grosser Gewinn dieses ausgezeichneten Spielfilms ist die Echtheit seiner Darstellerinnen: Sie sind tatsächlich Kunstturnerinnen, die auch spielen können. Allen voran Anastasia Budiashkina in der bravourös gemeisterten Titelrolle – sportlich wie schauspielerisch.
Olga
Regie: Elie Grappe
CH/F/Ukraine 2021, 85 Minuten
Ab Do, 24.2., im Kino