Für Sara und Urs Rufer gab es den Vater stets nur in der Erinnerung. Er starb, als sie vier und sieben Jahre alt waren. Jahrzehnte später tauchte er wieder auf – als «Verschollener» in einem NZZ-Artikel. Anlass war die Neuauflage seines einzigen Buches «Der Himmel ist blau. Ich auch». Dass Autor Walter Rufer im Artikel als «verschollen» gemeldet wurde, war für das Geschwisterpaar und ihre Mutter, die Witwe Margrit Rufer, befremdlich.
Was dieses Erlebnis auslöste und wie es dazu kommen konnte, dokumentiert der Zürcher Filmer Ueli Meier auf unspektakuläre Weise. Er befragt die Rufers, reist aber auch nach München, wo Walter Rufer sein Buch geschrieben hatte. Dorthin war der gebürtige Zürcher 1957 aufgebrochen, um sich – wie einst Gottfried Keller – fern der bürgerlichen Heimat als Künstler zu etablieren. Rufer stand zuweilen als Statist auf der Bühne der Kammerspiele, verkehrte in der Bohème-Szene von Schwabing, lernte Leute kennen wie den später berühmten Schauspieler Otto Sander. Vor allem aber schrieb er – und soff. Im Film erinnert sich der Journalist Günter Gallas an gemeinsame Gelage und weiss: «Wir suchten beide nach der blauen Blume der Kunst.»
Ein Schicksal, das betroffen macht
Rufer sah sich als grossen Dichter, blieb mit dieser Einschätzung aber alleine. «Wo bleibt das Glück?», lautete ein Tagebuch-Eintrag im Februar 1958. Andernorts reimte er: «Meine Werke sind noch ungeschrieben / Den Nobelpreis hab ich abgeschrieben / Beim Krämer hab ich angeschrieben.» Ein kurzes Glück findet Rufer in einer Liebschaft. Als diese endet, kehrt er zurück in die Schweiz, desillusioniert und krank. Er arbeitet als Redaktor, heiratet Margrit, die beiden werden Eltern. Mit 44 stirbt Rufer an Leberzirrhose.
Ueli Meier greift ein Schicksal auf, dass mehrfach betroffen macht. Aus Sicht der Hinterbliebenen, die im Laufe des Films auch Überraschendem begegnen. Vor allem aber bewegen Rufers Texte, gelesen vom Schauspieler Thomas Sarbacher, die in lakonischer Ironie schmerzhaft vom Scheitern eines Freigeistes berichten. Meier bringt damit existenzielle Herausforderungen des Künstlerseins auf den Punkt und zeigt, wie nahe das Scheitern liegt. Meier wird Rufers Leben auch stilistisch gerecht, indem er nur punktuell poetische Blickfänge wagt. Emotionale Tiefe bietet dagegen die fabelhafte Musik des Berners Christian Brantschen.
Ich habe in Moll geträumt
Regie: Ueli Meier
Ab Do, 8.7., im Kino