Die Eröffnungssequenz zeigt den renommierten klassischen Musikkritiker Georg in den Redaktionsräumen des Wiener «Express». Der deutsche Chefredaktor (Jörg Hartmann, Faber aus dem Dortmunder «Tatort») gibt ihm gleich zu verstehen, dass er entlassen wird, nach 25 Jahren. Sparmassnahmen. Georg (Josef Hader) entgegnet: «Ich bin nicht irgendwer, ich bin eine Instanz. Es wird Leserbriefe geben.» Chefredaktor: «Glaube ich nicht. Ihre Leser sind zu einem Grossteil schon tot.»
Georg ist ganz unten. Was tun? Der Starkritiker muss sich neu erfinden. Er könnte zwar ein Buch schreiben oder mal nichts tun. «Er benimmt sich aber so», erklärt Josef Hader in einem Interview zum Film, «als würde er vor dem Nichts stehen, denn der Ego-Verlust ist zu gross. Die Tragik, in die sich Georg hineinsteigert, ist in seinem Fall ein bissl ein Luxus, den er sich leisten kann.» In dieser beruflichen wie privaten Krise – seine Gattin, Therapeutin von Beruf, hegt einen späten Kinderwunsch – sieht Georgs Lebensplan kurzfristig nur eines: Rache.
Das Geschäft mit der Achterbahn
Im Prater, bei der Liliputbahn, begegnet er Erich (Georg Friedrich), mit dem er früher auf die gleiche Schule ging. Erich wird als Mini-Bahn-Lokomotivführer entlassen. Er könnte für 3000 Euro die «Wilde Maus» erwerben. Die Achterbahn muss allerdings noch aufgepeppt werden. Georg beteiligt sich am neuen Geschäft; die Bahn wird frisch gestrichen. Und natürlich soll statt der üblichen Kirmes-Musik Klassik ertönen.
Georg setzt seine Rachepläne handfest um. Er vandalisiert das Auto des Chefredaktors, zerschneidet das Cabrio-Verdeck mit einem Jagdmesser, versprayt die Hausfassade, zerstört Überwachungskameras. Ziemlich kindisch für einen gebildeten Menschen. Vorteil des Prominent-Seins: Ein Polizist auf der Wache entpuppt sich als Klassik-Kenner und Georg-Fan, also lässt er Gnade vor Recht walten.Rächer Georg hat seinerseits Hass geschürt: Die Vergangenheit holt ihn in einem japanischen Restaurant ein. Der Sushi-Koch, einst ein von Georg offenbar böse kritisierter Musiker, demoliert Georgs Auto.Georg geht noch einen Schritt weiter und kauft sich eine Pistole. Der Verkäufer im Waffenladen empfiehlt eine Magnum, die sei besser. Wieso? «Mehr Bums.» Es kommt zum Showdown in den verschneiten Bergen. Georg stellt seinen Ex-Chef. Sie prügeln sich wie Schulbuben, und dann die Verzweiflungstat: Georg setzt sich nackt in den Schnee und trinkt dazu eine Flasche Whisky leer. Dazu Tabletten. So kommt der Tod bestimmt . . .
«Wilde Maus» ist ein typischer Hader: Der als Kabarettist geschätzte Österreicher spielt die Hauptrolle und fungiert als Regie-Debütant; selbst das Drehbuch hat er geschrieben. So zeigt sich der Film im vertrauten Ton von verzweifeltem Witz, schwarzem Humor, Lakonik und viel Melancholie. Sehr haderisch. Sehr österreichisch. Sehr gut.
Wilde Maus
Regie: Josef Hader
Ab Do, 9.3., im Kino