Als junger Mann, hoch droben in einem Baum sitzend, hat Kurt Barnert ein Erweckungserlebnis, um nicht zu sagen: eine Erleuchtung. «Ich habe verstanden, wie alles zusammenhängt. Die Weltformel. Ich bin unberührbar.» Ein Stück romantisches Pathos.
Ein Schlüsselerlebnis für den späteren Künstler bildet der Besuch der Nazi-Ausstellung «Entartete Kunst» als Kind 1937 in Dresden. Kurt (Tom Schilling) ist mit seiner geliebten Tante Elisabeth da. Sie sagt dem Kleinen: «Nicht wegsehen, Kind. Alles, was wahr ist, ist schön.»
Kurt sitzt wochenlang vor der leeren Leinwand
Elisabeth wird später Opfer des Euthanasie-Programms der Nazis – bei ihr wurde eine Schizophrenie diagnostiziert. Kurt studiert nach dem Krieg in der DDR und erhält staatliche Aufträge. In der Akademie lernt er die Modestudentin Elisabeth, genannt Ellie (Paula Beer), kennen und lieben. Sie ist die Tochter von Professor Carl Seeband (Sebastian Koch), einem Gynäkologen und ehemaligen Nazi-Arzt, der nur dank russischer Protektion in der DDR wirken kann. Kurt und Ellie fliehen kurz vor dem Mauerbau im Sommer 1961 in den Westen.
In Düsseldorf wird Kurt an der Kunstakademie aufgenommen; dank einem charismatischen Schwadroneur von Professor. Deutlich sind die Parallelen dieses Antonius van Verten zu Joseph Beuys. Er goutiert die ersten freien Kunstversuche seines Schützlings nicht. Kurt zweifelt, sitzt wochenlang vor leeren weissen Leinwänden.
Bis er per Zufall auf ein Foto stösst, abgedruckt auf der Frontseite der «Bild»-Zeitung. Es zeigt den aufgespürten Euthanasie-Verantwortlichen der Nazis. Kurt schneidet das Foto aus und überträgt es auf die Leinwand. Mit dem Pinsel verwischt er die Bilder, sodass sie unscharf werden. Und er stösst auf eine schockierende Wahrheit: Seine geliebte Tante Elisabeth wurde damals durch die Unterschrift seines Schwiegervaters Carl Seeband in die Gaskammer geschickt.
Etwas weniger Pathos hätte dem Film gutgetan
Mit einer Ausstellung schafft Kurt 1966 in Wuppertal den Durchbruch. Vor versammelter Presse erläutert er sein künstlerisches Credo, und man hört aus seinem Mund die Worte der toten Tante: «Alles, was wahr ist, ist schön. Ich will die Wahrheit.» Seine Kunst aber wird von einem Journalisten kritisiert: «unscharf abgemalte Fotografien». So erklärt sich der Titel «Werk ohne Autor»: Andere Mächte als Kurt haben das Bild erschaffen.
«Der Film ist stark inspiriert von einigen Ereignissen aus dem Leben Gerhard Richters. Aber es ist keine Biografie, sondern Fiktion.» Das sagt Regisseur und Drehbuchautor Florian Henckel von Donnersmarck («Das Leben der Anderen») zu seinem Film, der drei Stunden dauert. Gerhard Richter gilt heute als teuerster lebender Künstler überhaupt.
Die Frage bleibt: Warum wählt der Regisseur die biografischen Spuren von Gerhard Richter, um dann eine fiktive Geschichte von Menschen mit anderen Namen zu verfilmen? Etwas weniger Pathos, weniger grosse Gesten und der Verzicht auf eine allzu proppere Darstellung hätten dem Film gutgetan.
Werk ohne Autor
Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Ab Do, 4.10., im Kino