Die Männer sind im Land, um zu arbeiten. Sie leben im Wohnheim, man trifft sich in der Kantine. Der Umgang untereinander ist freundschaftlich bis herzlich. Sie bilden eine Gemeinschaft im Exil. Es sind Menschen in der Fremde, fern von ihrer Heimat, fern von Familie und Freunden. Sie sind entfremdet, gleich doppelt: im Land, wo sie arbeiten, und zu Hause, wenn sie auf Besuch für kurze Zeit zurückreisen. Es sind einsame Menschen, entwurzelt in einem geteilten Leben.
Der ältere Abdelaziz (Noureddine Benallouche) aus Marokko hat eine erwachsene Tochter, die in Frankreich geboren wurde und ihm beim Behördenkram hilft. Eine von Abdelaziz’ Lebensweisheiten lautet: «In Frankreich hast du entweder Geld und Spass oder kein Geld und keinen Spass.» Die Tochter stellt nüchtern fest, dass er ein Leben lang schwarz arbeitete und ausgenutzt wurde. Eine Rente wird er kaum erhalten. Das weitere Schicksal: Abdelaziz zahlt für einen Arbeitseinsatz einen allzu hohen Preis.
Für kurze Zeit kommt die Liebe ins Spiel
Amin (Moustapha Mbengue) arbeitet seit neun Jahren in Frankreich auf dem Bau. In der Kantine sammelt er für die Schule seiner Heimat. Das Geld versteckt er in den Socken, und beim Besuch seiner Familie auf dem Dorf im Senegal übergibt er die Spenden. Und natürlich unterstützt er die Familie. Seine Frau Aïcha und die drei Kinder sind dageblieben. Nichts möchte Aïcha lieber, als nach Frankreich zu gehen. Es ist nicht möglich. Seinem älteren Sohn sagt Amin: «Nichts ist einfach, weder hier noch dort.» Und: «Wenn ich mich in Frankreich abrackere, tue ich das für euch.»
Bei einem Auftrag nähern sich Amin und die Kundin Gabrielle (Emmanuelle Devos) einander an. Für Renovationsarbeiten im Garten kommt er früher und geht später, damit alles rechtzeitig fertig wird. Sie ist geschieden und alleinerziehend. Für kurze Zeit kommt die Liebe ins Spiel. Weit entfernt, im Senegal, spürt Amins Frau Aïcha etwas. Als er Gabrielle ein Kleid schenken will, sagt die Französin: «Schick dein Geld lieber nach Hause.» Eines Tages verabschiedet sie sich am Telefon und wünscht ihm Gutes.
Der für sein letztes Werk «Fatima» (2015) mit mehreren «Césars» ausgezeichnete französische Regisseur Philippe Faucon setzt bei «Amin» auf subtilen Realismus. Bei seinem jüngsten Film arbeitet er mit Profis und Laien, eine Methode, die viel Glaubwürdigkeit erreicht. Grössere gesellschaftliche Zusammenhänge, Themen wie Migration, Lebensbedingungen im Exil, Zerrissenheit zwischen den Kulturen stellt er «im Kleinen» dar, er macht es an einzelnen Menschen fest. Er zeigt, was und wie es ist, wertet nicht. Amin lebt sein Leben geduldig, kennt sehr wohl Sehnsüchte, nimmt aber sein Schicksal demütig an. Sehr menschlich.
Amin
Regie: Philippe Faucon
Ab Do, 11.4., im Kino