Film «Wajib»: Familienpflichten
Regisseurin Annemarie Jacir begleitet in ihrem dritten Spielfilm «Wajib» einen palästinensischen Vater und seinen Sohn im heutigen Nazareth.
Inhalt
Kulturtipp 06/2018
Letzte Aktualisierung:
12.03.2018
Urs Hangartner
Es ist Zeit für den «Wajib». So heisst die palästinensische Tradition für Verpflichtungen bei familiären Anlässen. Dazu gehört, dass der Vater den Gästen die Einladungen zur Hochzeit eines Kindes persönlich überbringt, und der Sohn ihm dabei hilft. Deshalb sind Abu und Shadi (Mohammed und Sali Bakri, auch im richtigen Leben Vater und Sohn) einen Tag lang mit dem Auto in Nazareth unterwegs. Sie haben in ihrem Gepäck insgesamt 340 Ei...
Es ist Zeit für den «Wajib». So heisst die palästinensische Tradition für Verpflichtungen bei familiären Anlässen. Dazu gehört, dass der Vater den Gästen die Einladungen zur Hochzeit eines Kindes persönlich überbringt, und der Sohn ihm dabei hilft. Deshalb sind Abu und Shadi (Mohammed und Sali Bakri, auch im richtigen Leben Vater und Sohn) einen Tag lang mit dem Auto in Nazareth unterwegs. Sie haben in ihrem Gepäck insgesamt 340 Einladungen in adressierten Couverts für die Hochzeit seiner Tochter beziehungsweise Schwester.
Sohn Shadi ist für den Wajib eigens aus Rom nach Nazareth gekommen. Er lebt als Architekt in Italien. Seiner Freundin ist als Flüchtling im Ausland die Einreise in Palästina verwehrt. Die Mutter lebt mit ihrem neuen Mann, einem PLO-Vertreter, in den USA. Ob sie überhaupt zur Hochzeit kommen kann, ist ungewiss, denn ihr Mann liegt im Sterben.
Alltag und Politik Palästinas
Die Vater-Sohn-Beziehung ist getrübt. Vater Abu, ein Lehrer, spekuliert auf die Rektorenstelle an seiner Schule und passt sich in den Augen seines Sohnes zu sehr an. Dezidiert geht Shadi auf Distanz zum herrschenden System, das die Israelis bestimmen.
Shadi ist schockiert von den Zuständen in seiner Heimatstadt Nazareth. Die Abfallentsorgung ist zusammengebrochen. Er sieht arme Kinder, die auf der Strasse Waren verkaufen.
Immer wieder, in Gesprächen oder Situationen, spiegeln sich die politische Lage und die jüngste Geschichte Palästinas. Ausgehend vom Hochzeitsbrauch zeigen sich menschliche Konflikte, Beziehungen zwischen den Generationen und das Leben in einer Gesellschaft unter aussergewöhnlichen politischen Umständen im Norden von Palästina. Das Menschliche und das Politische berühren sich in diesem Roadmovie. Erzählt mit Ernst und einer schönen Prise Humor.
Wajib
Regie: Annemarie Jacir
Ab Do, 8.3., im Kino