Es mag auf den ersten Blick überraschen, dass ein solcher Stoff von einer für ganz andere Werke bekannten Regisseurin gewählt wurde: Die 1976 geborene Berlinerin Julia von Heinz hat erfolgreiche Publikumsfilme inszeniert wie etwa «Hanni & Nanni 2» (2012) oder «Ich bin dann mal weg» (2015), die Adaption des Buchbestsellers nach Hape Kerkeling. Und jetzt kommt mit «Und morgen die ganze Welt» ein Film, der in der Häuserbesetzer-Szene und der Antifa-Bewegung spielt.
Der Mensch und sein Handeln im Vordergrund
Die Regisseurin, die zusammen mit ihrem Ehemann John Quester auch das Drehbuch geschrieben hat, wollte dieses Projekt schon lange in Angriff nehmen: «Ich trage diesen Stoff in mir, seit ich Filme machen will», hat sie in einem Interview erklärt. Obwohl der Film Politisches zum Inhalt hat, geht es Julia von Heinz nicht um eine politische Botschaft: «Es geht um Menschen und ihre Gefühle, die zu bestimmten Handlungen führen.» Dabei schöpft sie aus eigenem Erleben. Die Regisseurin war in jungen Jahren selber in der Antifa (Antifaschistische Aktion) aktiv, politisch gegen Rechts engagiert.
Ihre Filmprotagonistin, die 20-jährige Luise (Mala Emde), stammt aus gutem Haus und studiert Jus in Mannheim. Die Rechtsfrage ist zentral im Film. Am Anfang ist ein Artikel aus dem deutschen Grundgesetz eingeblendet: «Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.» Diese Sätze geben das Motto vor für das Kommende. Wie entscheiden sich die Protagonisten, wie legitimieren sie die Anwendung von Gewalt, unter Umständen nicht nur gegen Sachen, sondern auch gegen Menschen?
Luise wird durch ihre Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) Mitglied der Antifa und zieht in ein besetztes Haus ein. Hier trifft sie auf den charismati-schen Alfa (Noah Saavedra) und den besonnenen Lenor (Tonio Schneider).
Keine Antworten, aber wichtige Fragen
Gemeinsam schreiten sie zur Tat. Sie demonstrieren, demolieren die parkierten Autos von Neonazis, prügeln sich. Es gibt Verletzte – und sie finden Sprengstoff bei einem Einbruch in ein Lager von Rechtsradikalen. Als es brenzlig wird, findet Luise mit Alfa und Lenor Unterschlupf im Haus des ehemaligen Radikalen Dietmar (Andreas Lust).
Den Jungen teilt er mit: «Damals hatten wir auch nur ein paar einfache Antworten auf eine komplexe Welt.» Und: «Letztlich ist es auch nur eine Bühne für Selbstdarsteller.» Luise fragt einmal in die Runde: «Was bringen diese Gesetze, wenn sowieso niemand dran glaubt?»
Antworten liefert der Film keine. Aber er stellt wichtige Fragen. Das junge Ensemble spielt auf beeindruckende, authentische Art. Mala Emde ist für die Darstellung ihrer Figur Luise an den Filmfestspielen von Venedig im September 2020 bereits mit einem Preis als beste Schauspielerin ausgezeichnet worden.
Und morgen die ganze Welt
Regie: Julia von Heinz
Ab Do, 29.10., im Kino