Film: Versuch der Versöhnung
Opfer und Täter begegnen sich im Dialog: Der Dokumentarfilm «Je ne te voyais pas» verhandelt Fragen rund um Vergebung und Läuterung.
Inhalt
Kulturtipp 25/2020
Urs Hangartner
Der abstrakte Begriff der «restaurativen Justiz» erhält in diesem Film ein Gesicht. Er bedeutet, dass Täter und Opfer einander auf freiwilliger Basis begegnen, um in der Gesprächsrunde auf der einen Seite das erlittene Leid zu artikulieren und im besten Fall zur Aussöhnung zu finden. Auf der anderen Seite: Um sich zu erklären, vielleicht sogar Verständnis für die Taten zu finden und um Vergebung zu bitten. Die Absicht von Täter-Opfer-&s...
Der abstrakte Begriff der «restaurativen Justiz» erhält in diesem Film ein Gesicht. Er bedeutet, dass Täter und Opfer einander auf freiwilliger Basis begegnen, um in der Gesprächsrunde auf der einen Seite das erlittene Leid zu artikulieren und im besten Fall zur Aussöhnung zu finden. Auf der anderen Seite: Um sich zu erklären, vielleicht sogar Verständnis für die Taten zu finden und um Vergebung zu bitten. Die Absicht von Täter-Opfer-Begegnungen: Die Opfer sollen nicht mehr vergessen werden, anders als bisher.
Die Erfahrung wirkt ein Leben lang nach
Der Film «Je ne te voyais pas» beleuchtet Beispiele von Täter-Biografien und von Opfer-Fällen. Paul etwa wurde als Posthalter zusammen mit seiner Familie mit vorgehaltener Waffe bei einem Überfall bedroht. Die Erfahrung wirkt noch nach 22 Jahre nach. Paul sagt: «Die Bilder sind immer noch präsent.»
Der Film gibt Einblick in die Befindlichkeit von Opfern. Wie steht es mit ihren seelischen Wunden? Wie gehen sie mit ihren Verletzungen um, die vielleicht ein Leben lang nicht heilen? Der Film stellt Fragen und lässt die Antworten offen: Gibt es dank der restaurativen Justiz wirkliche Versöhnung? Wie echt und nachhaltig ist letztlich die in der Mediations-Runde formulierte Reue auf der Täter-Seite?
Ruedi war einst delinquent. Weil er mit seinem Bauge-schäft finanzielle Probleme hatte, wurde er zum Bank- und Posträuber. In der Haft dann die Läuterung und die neue Ausrichtung danach, in der Freiheit: Er begleitet gefährdete Jugendliche, damit sie in der Lehre nicht auf die schiefe Bahn geraten. Ruedi war der Täter in Pauls Fall.
«Ich kann dir nicht vergeben»
Die beiden treffen sich in der Gesprächsrunde. Dabei zeigt sich ein ernüchterndes Resultat, wenn Paul seinem damaligen Peiniger gegenüber zum Schluss bekennt: «Ich kann dir nicht vergeben.»
Der Film könnte aktueller nicht sein: In der Wintersession der Eidgenössischen Räte ist die restaurative Justiz Diskussionsgegenstand bei der Änderung am Gesetzesentwurf zur Strafprozessordnung.
Je ne te voyais pas
Regie: François Kohler – 75 Min.
Ab Do, 26.11., im Kino