«Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.» Dieser Satz des Auschwitz-Überlebenden Primo Levi ist diesem Film nicht nur voran-, sondern auch nachgestellt, um das Credo von Regisseur Joachim A. Lang zu verdeutlichen.
Der 65-jährige Deutsche will mit «Führer und Verführer» nicht einfach nur einen weiteren Film über die Nazidiktatur vorlegen, sondern den damaligen Propagandaminister Joseph Goebbels (Robert Stadlober) als «Vater und Meister der Fake News» demaskieren.
Lang beschränkt sich nicht auf historische Zusammenhänge, sondern warnt auch vor demagogischen und demokratiezersetzenden Tendenzen der Gegenwart. Dazu streicht er Beispiele aus den letzten sieben Jahren des Dritten Reichs (1938–1945) heraus, sowohl dokumentarisch wie auch mittels Reenactment.
Geschickter Propagandist und Lebemann
So beschreibt er anschaulich Joseph Goebbels’ Propagandacoup, als dieser von einer proklamierten «friedlichen Koexistenz» Deutschlands blitzschnell auf Kriegsrhetorik umschalten musste, weil Adolf Hitler (Fritz Karl) 1939 Polen angriff. Zugleich wird Goebbels’ ausschweifender Lebensstil thematisiert: Der sechsfache Familienvater pflegte eine Affäre mit der tschechischen Schauspielerin Lida Baarova (Katia Fellin), bis Hitler dem Techtelmechtel persönlich ein Ende setzte.
Das grösste Propagandawerk war aber laut Lang Goebbels’ Sportpalastrede von 1943, in der er Deutschland trotz heftigen Rückschlagen an der Front zum «totalen Krieg» aufstachelte. Sein linientreues Publikum hatte Goebbels laut eigenen Aussagen so sehr im Griff, dass es auch aus dem Fenster gesprungen wäre, wenn er es dazu aufgefordert hätte. «Führer und Verführer» zeigt, wie der Nazimachtapparat funktionierte, und bringt das ambivalente Verhältnis zwischen den Alphatieren Hitler und Goebbels beklemmend auf den Punkt.
Führer und Verführer
Regie: Joachim A. Lang
D/Slowakei 2023, 135 Minuten
Do, 22.8., im Kino
Goebbels und der Film
Joseph Goebbels (1897– 1945) wurde 1933 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda. In dieser Position war er an neuen Medien interessiert, insbesondere an Rundfunk und Film. Als Fan von Spielfilmen wie «Panzerkreuzer Potemkin» (1925) oder «Vom Winde verweht» (1939) war er überzeugt, dass Unterhaltung der Nazipropaganda am besten diene. Sein Ziel war kein Parteiprogramm in Bildern, sondern Starkino à la Hollywood.
Dass dies nicht gelang, lag nicht zuletzt daran, dass Stars wie Marlene Dietrich und Topregisseure wie Fritz Lang oder Billy Wilder in die USA flüchteten. Einige Schauspieler wie Gustaf Gründgens konnten das Naziregime indes zum Bleiben bewegen oder neue Stars wie Zarah Leander aufbauen. Propaganda betrieb Nazideutschland umso mehr beim Dokumentarfilm, namentlich in den Filmen von Leni Riefen stahl («Triumph des Willens»).
Ein zentrales Element war zudem die «Deutsche Wochenschau», die jeweils im Kino-Vorprogramm geschönte Heldentaten von der Kriegsfront zeigte und von Hitler oder Goebbels persönlich abgesegnet wurde.