Shakespeare ist schuld am schlechten Image von König Richard III. (1452–1485). Im 1597 entstandenen gleichnamigen Stück stellte der Autor den Regenten als Schurken dar, mehr als 100 Jahre nach dessen Tod.
Eine Aufführung von «Richard III.» ist dafür verantwortlich, dass Philippa Langley (Sally Hawkins) zur Hobbyhistorikerin wird. Der Theaterbesuch weckt ihren Forschungsdrang. War Richard, wie es das Stück von Shakespeare will, ein Thronräuber, der gar zwei seiner Neffen liquidieren liess? War er einer, dessen schlechter Charakter bestens zu seinem hässlichen Äusseren als Buckliger passte? Oder gibt es eine andere Wahrheit, die den historischen Fakten gerecht wird?
Mitten in einer Lebenskrise
Philippa hat es gerade schwer im Leben. An ihrem Arbeitsplatz wurde sie bei einer Beförderung übergangen. Dazu leidet sie am chronischen Müdigkeitssyndrom. Ihre Kinder hänseln sie wegen ihrer Augenringe: «Mama, du siehst aus wie ein Panda.» In der Ehe kriselt es. Ihren Mann John spielt Steve Coogan, der den Film koproduziert und am Drehbuch mitgeschrieben hat.
Beherzt und beharrlich macht sich Philippa auf Spurensuche in Sachen Richard. In einer Buchhandlung kauft sie gleich alle acht verfügbaren Werke. Und sie nimmt Kontakt mit der Abteilung für Archäologie an der Uni von Leicester auf.
Gerechtigkeit für Philippa und Richard
Verbündete findet sie bei der «Richard III Society». Sie besucht eine Versammlung in einem Pub und wird von jemandem aus den eigenen Reihen gefragt: «Wollen Sie wirklich mitmachen? Sie machen einen so normalen Eindruck.» Denn die Ricardians, wie die Mitglieder genannt werden, sind in den Augen der akademischen Welt eine Gruppe von Spinnern, verspottet als «Fanclub».
Mit Rückschlägen muss gerechnet werden – etwa wenn Philippa an einem vermuteten Standort des Grabs auf einem Parkplatz ein R auf dem Pflaster entdeckt. R wie Richard? Der Pförtner gibt Entwarnung, das R stehe für reserviert.
Gerechtigkeit für Philippa und Richard
Philippa gibt nicht auf, verfolgt ihre Mission, ist fest davon überzeugt, Richard ausfindig zu machen und zu rehabilitieren. Richard (Harry Lloyd) begegnet ihr auch leibhaftig. Er trägt die Züge des Schauspielers in der ausschlaggebenden Theateraufführung. Nun erscheint er, anfangs stumm, als imaginäre Figur, die nur von Philippa gesehen werden kann. Es wird am Schluss doch noch eine Gerechtigkeit für Philippa – und für Richard – geben.
Auch wenn andere vorerst die Lorbeeren ernten. Richard ist rehabilitiert, und für ihre Leistung, den diskreditierten König entdeckt und identifiziert zu haben, erhält Philippa 2015 – wie die Beatles 50 Jahre vor ihr – als Würdigung für Verdienste in den Bereichen von Kunst und Wissenschaft den Titel Member of the Order of the British Empire (MBE). Einen Orden hätte auch Sally Hawkins für ihre Darstellung der unbeirrbaren Philippa Langley verdient.
The Lost King
Regie: Stephen Frears
UK 2023, 108 Minuten
Ab Do, 31.8., im Kino