Für Irritation ist gesorgt: War das nun vorher oder nachher, hier oder anderswo? War es wirklich, oder handelt es sich nur um Einbildung, um Illusion, vielleicht von einem Wahn genährt? Vieles in diesem Film bewegt sich jenseits von Gewissheiten.
In Wien stürzt sich eine Frau vom dritten Stockwerk auf die Strasse. Unmittelbar danach sieht man nichts mehr von Andrea, der Nachbarin von Anna (Birgit Minichmayr) und Nick (Philipp Hochmair). Er soll mit ihr ein Verhältnis gehabt haben.
Handlungsstränge verschlaufen sich
Die Kinderbuchautorin Anna will in einer halbjährigen Auszeit im Schweizer Jura endlich einen Erwachsenenroman schreiben. Derweil er, Starkoch, mitgeht und die Gelegenheit nützen will, um in der Westschweiz regionale Kochrezepte zu sammeln. Hätte er, wie in einer Szene offenbar wird, gar nicht dahin reisen müssen, da er alles aus Büchern abschreibt? Oder bildet Anna sich das nur ein? Prophezeiungen werden ausgesprochen, die sich bewahrheiten. Handlungsstränge verschlaufen sich. Manches bleibt in der Schwebe. Mitunter stellt sich Grusel ein.
Die Tiere im Film mit dem Titel «Tiere»: Auf der Hinfahrt im Cabrio kommt es zu einem Crash mit einem Schaf. Das muss Nick bezahlen, es wird ihm fein säuberlich verpackt vor die Tür des temporären Domizils gelegt – «gibt sicher 50 super Lammkoteletts». Einmal fliegt ein kleiner Vogel ins Zimmer und klatscht gegen die Wand. «Der hat sich gerade umgebracht.» – «Tiere bringen sich nicht um.» Die Blutspuren an der Wand sind später nicht mehr zu sehen. Dann ist da noch eine Katze, die sprechen kann, ohne das Maul zu bewegen.
Mischa (Mona Petri), welche die Wiener Wohnung von Anna und Nick für ein halben Jahr übernimmt, ähnelt frappant der angeblich aus dem Fenster gesprungenen Andrea, die wiederum die Freundin eines gewissen Harald (Michael Ostrowski) gewesen sein soll. Und auch die Glacé-Verkäuferin am Genfersee, mit der Nick sich auf die Schnelle einlässt, gleicht Mischa beziehungsweise Andrea aufs Haar. Mona Petri spielt sinnvollerweise alle drei Rollen.
Nach der Logik eines Traums
Der polnischstämmige Schweizer Regisseur Greg Zglinski begegnete dem Drehbuch des Schweizer Autors Jörg Kalt (1967–2007) als Mitglied der Filmkommission der Zürcher Filmstiftung. Das war 2006. Seither liess ihn die Geschichte nicht mehr los: «Da war im Drehbuch eine dichte Atmosphäre, die mich an Filme von David Lynch, Roman Polanski oder Stanley Kubrick erinnerte.» Schliesslich ist eine Bearbeitung des ursprünglichen Drehbuchs zum Film geworden, zu dem Zglinski sagt: «Ich hatte das Gefühl, dass die Welt viel grösser ist, als wir sie sehen und in unserem Alltag erleben –, und dass das die Wirklichkeit ist. Dieses Gefühl möchte ich meinem Publikum vermitteln.» In einem Film, der nach der Logik des Traums funktioniert – eine reizvolle Irritation.Urs Hangartner
Tiere
Regie: Greg Zglinski
Ab Do, 5.10., im Kino