Der Kontrast könnte nicht grösser sein: An der Strasse zur Disney World in Kissimmee, Florida, Inbegriff kitschiger Scheinwelt, liegen farbig bemalte Motels. Ihre besten Zeiten haben sie längst hinter sich. Wie das lila gehaltene Magic Castle Motel. Das Haus ist weder magisch noch schlossähnlich und wird inzwischen von minderbemittelten Dauermietern bewohnt.
Die sechsjährige Moonee (grossartig: Brooklynn Kimberly Prince) bewohnt dort mit ihrer alleinerziehenden, erst 22-jährigen Mutter Halley (Bria Vinaite) ein Zimmer. Diese schlägt sich mit dem Verkauf von Billigparfüms auf der Strasse durch und hat wiederholt «Herrenbesuche». Ihrer Tochter ist sie eine tolle Mutter, so gut es geht.
Glace schlecken gegen Asthma
Die kleine Moonee geniesst den Sommer zusammen mit ihrem Freund Scooty (Christopher Rivera), der eine Etage unter ihr wohnt. Seine Mutter Ashley ist mit Halley gut befreundet. Nach einem Weitspuck-Wettbewerb in einem benachbarten Motel finden Moonee und Scooty in Jancey (Valeria Cotto) eine neue Freundin. Zu dritt bilden sie eine kleine Bande, die alles Mögliche im Kopf hat: Blödsinn, Streiche, Schabernack.
Köstlich: Als die Kleinen bei der Eiscreme-Bude von Passanten um Kleingeld betteln, tut es Moonee mit dem schlagenden Argument: «Ich habe Asthma, und mein Arzt hat gesagt, dass Glace dagegen hilft.» Scooty: «Meiner auch.»
Weiter liegen die drei auf ihren Abenteuer-Touren etwa als Voyeure am Pool auf der Lauer, wo die alte, aufgetakelte Gloria oben ohne sonnenbadet. Sie sorgen für einen Stromausfall im ganzen Motel, nur um mal zu schauen, was dann so alles passieren kann. Sie feuern in einem leer stehenden Haus dem Cheminée so stark ein, dass sie das Gebäude abfackeln. Der Feuerwehreinsatz wird zu einer Attraktion – «besser als Fernsehen».
Mitten im turbulenten Treiben amtet als Hauswart und gute Seele der unerschütterliche Bobby. Das ist eine verhalten gespielte Glanzrolle für Hollywood-Star Willem Dafoe, der sich hier sichtlich wohl fühlte.
Auch wenn die Abenteuer in diesem Kinderland von sommerlicher Unbekümmertheit zeugen: Der Film vergisst den realen Hintergrund von sozialer und ökonomischer Not nie. Regisseur Sean Baker gelingt es wunderbar, die Balance zu halten. Er romantisiert oder verklärt die Menschen und ihre prekären Lebensbedingungen nicht.
Er wollte die Kinder «so agieren lassen, wie sie sind, sie einfach Kinder sein lassen». Dem ungekünstelten Spiel der Knirpse ist es denn vor allem zu verdanken, dass «The Florida Project» ein wunderbarer, grossartiger Film geworden ist.
The Florida Project
Regie: Sean Baker
Ab Do, 8.2., im Kino