Film: Stoische Filmbilder
«Pity» von Babis Makridis ist schräges Kino aus Griechenland. Ein Anwalt leidet an der Sucht des Traurigseins und des Bemitleidet-Werdens.
Inhalt
Kulturtipp 07/2019
Urs Hangartner
Wem es schlecht geht, dem kann es gleichzeitig gut gehen. Wie im Film «Pity». Ein namenloser Anwalt (Yannis Drakopoulos) wird bemitleidet und beschenkt. Er weint regelmässig bitterlich, am Bettrand sitzend. Seine Frau liegt im Spital im Koma. Die Nachbarin bringt dem Mann Kuchen vorbei, und in der chemischen Reinigung erhält der Bedauernswerte Rabatt.
Sein Mitleidheischen ist keine Masche. Die Traurigkeit scheint echt. Bis sich die triste Lage ändert, er a...
Wem es schlecht geht, dem kann es gleichzeitig gut gehen. Wie im Film «Pity». Ein namenloser Anwalt (Yannis Drakopoulos) wird bemitleidet und beschenkt. Er weint regelmässig bitterlich, am Bettrand sitzend. Seine Frau liegt im Spital im Koma. Die Nachbarin bringt dem Mann Kuchen vorbei, und in der chemischen Reinigung erhält der Bedauernswerte Rabatt.
Sein Mitleidheischen ist keine Masche. Die Traurigkeit scheint echt. Bis sich die triste Lage ändert, er aber einfach weitermacht. Eine Diagnose könnte lauten «Glück im Unglück»: Er fühlt sich glücklich, wenn es ihm nicht gut geht. Er lässt sich weiterhin bemitleiden, auch wenn es keinen Grund mehr dafür gibt. Dazu muss er lügen.
Die Kamera als Beobachterin
«Pity» spielt sich in einer kühl-stilisierten Welt ab. Die Kamera bewegt sich praktisch nicht, in der ersten Filmhälfte kein einziges Mal, bis es am Schluss zu einer leichten Bewegung rückwärts kommt. Ansonsten: viel Statik und Ruhe. Regisseur Makridis wollte bewusst, «dass die Kamera beobachtet und sich nicht einmischt». Die handelnden Personen sind ebenso stoisch, haben etwas von Jacques Tati oder Buster Keaton.
«Pity» trägt die deutliche, unverkennbare Handschrift von Autor Efthimis Filippou, der das Drehbuch zusammen mit Regisseur Makridis geschrieben hat. Filippou zeichnete bereits verantwortlich für die Vorlagen für Filme von Yorgos Lanthimos («The Lobster», «The Killing Of A Sacred Deer»). Man nennt dieses Kino «Weird Greek Wave», schräges Kino aus Griechenland mit schwarzhumoriger Schlagseite.
Was passiert eigentlich mit dem Familienhund Cookie, der am Filmende auf dem Meer verschwunden ist und nach dem der Anwalt nachts im Wald suchen geht? Eine von vielen Fragen. Filme sollten überhaupt Fragen stellen, keine Antworten liefern, meint Regisseur Makridis.
Pity (Oiktos)
Regie: Babis Makridis
Ab Do, 21.3., im Kino