Junge Menschen träumen von einem besseren Leben. Von Mexiko her versuchen sie, über die Grenze nach Norden ins gelobte Land USA zu gelangen. Die Hindernisse sind gross, viele scheitern. Am Meer ist eine berührend-seltsame Szene eingefangen: Junge Männer spielen Beach-Volleyball, als Netz dient der hohe Grenzzaun …
Dem jungen Nero Maldonado (Johnny Ortiz) gelingt endlich die Flucht. Der Autofahrer, der ihn in den USA mitnimmt, ist ein paranoider Verschwörungstheoretiker, der den Jungen warnt: «Stell dich darauf ein, verarscht zu werden.» Der 17-jährige Nero will dennoch ein sogenanntes «Dream-Kid» werden. Das Wort ist abgeleitet von «D.R.E.A.M. Act», den George W. Bush nach 9/11 eingeführt hatte («Development, Relief and Education for Alien Minors»). Es verleiht Ausländern, die für die USA in Kriegsgebieten Militärdienst leisten, die amerikanische Staatsbürgerschaft. Dieses Gesetz hinderte die USA allerdings nicht daran, solche Ex-Soldaten in ihr Herkunftsland zurückzuschaffen.
Auf sich gestellt
Doch für Nero sind die USA das Zuhause. Mexiko, wohin er mit seiner Familie zurückgeschickt wurde, ist für ihn keine Heimat. Er spricht perfektes Amerikanisch-Englisch, weil er in South Central von Los Angeles aufgewachsen ist.
Im Nobelviertel Beverly Hills findet Nero seinen älteren Bruder Jesús, der mit seiner Freundin eine palastähnliche Villa bewohnt. Nero staunt. Bis sich am nächsten Morgen herausstellt, dass Jesús nicht Villen-Besitzer ist, sondern lediglich Bediensteter. Jesús übergibt dem kleinen Bruder seinen eigenen, gefälschten Ausweis.
Harter Schnitt und Schauplatzwechsel. Nero, der nun die Identität von Jesús angenommen hat, ist Angehöriger der US-Armee. Im Niemandsland, an einem gottverlassenen Kontrollgrenzposten irgendwo im Nahen Osten, warten und wachen er und seine afroamerikanischen Mitsoldaten. Da explodiert ein Auto, der Posten wird beschossen. Am Ende ist Nero/Jesús auf sich selber gestellt. Eine US-Patrouille greift ihn auf. Wieder muss er seine Identität angeben, wie am Anfang bei einem misslungenen Fluchtversuch, damals an der mexikanisch-amerikanischen Grenze.
«Soy Nero» ist der erste englischsprachige Film von Rafi Pitts und ein Beispiel für multinationale Grenzüberschreitung. Pitts ist das Kind iranisch-englischer Eltern; er lebt heute in Frankreich. Sein Ko-Drehbuchautor ist der Rumäne Razvan Radulesco, Kameramann der Grieche Christos Karamanis. Das Werk von Rafi Pitts orientiert sich am realen Fall des Mexikaners Daniel Torres, der für diesen Film als Berater zugezogen wurde. Torres war Soldat der US-Armee im Irak-Krieg und wurde danach ins mexikanische Tijuana ausgeschafft.
Unrühmliches Kapitel
Die deutsch-französisch-mexikanische Produktion schliesst mit einer Texteinblendung: «Dieser Film ist allen Greencard-Soldaten gewidmet, die ausgewiesen wurden, nachdem sie in der US-Armee gedient hatten.» Der Film blickt auf ein unrühmliches Kapitel der jüngsten US-Geschichte und zeigt, was einem Einzelnen in seinem Hoffen und Sehnen widerfahren kann. Stark gemacht.
Soy Nero
Regie: Rafi Pitts
Ab Do, 30.6., im Kino