Film - Sondermission in Ex-Jugoslawien
Eine irrwitzige Komödie mit ernstem Hintergrund: In Srdjan Gragojevics «Parada» verbünden sich im ehemaligen Jugoslawien martialische Haudegen-Männer mit feinfühligen Schwulen.
Inhalt
Kulturtipp 16/2012
Urs Hangartner
Ein Mann unter der Dusche singt alte Kampflieder. Sein Körper ist übersät mit Tätowierungen, die unter anderem Kriegshelden zeigen. Stimme und Tattoos gehören dem bildungsfernen Macho Micky Limun (der serbische Kinostar Nikola Kojo). In seiner neureichen Protzvilla sind an allen möglichen und unmöglichen Stellen Waffen griffbereit versteckt, innenarchitektonisch gleicht das Haus einem Kriegsmuseum mit Devotionalien aus vergangenen Heldentagen. Limun ist selb...
Ein Mann unter der Dusche singt alte Kampflieder. Sein Körper ist übersät mit Tätowierungen, die unter anderem Kriegshelden zeigen. Stimme und Tattoos gehören dem bildungsfernen Macho Micky Limun (der serbische Kinostar Nikola Kojo). In seiner neureichen Protzvilla sind an allen möglichen und unmöglichen Stellen Waffen griffbereit versteckt, innenarchitektonisch gleicht das Haus einem Kriegsmuseum mit Devotionalien aus vergangenen Heldentagen. Limun ist selber so ein alter Held. Er hat im «Bruderkrieg» auf dem Balkan gekämpft. Heute ist er Inhaber einer Kampfsport-Schule und einer Sicherheitsfirma namens «Cobra Security». Seine Verlobte Pearl (Hristina Popovi) fragt mal: «Schatz, wie wars bei der Arbeit?» – Limun: «Wie immer. Nette Menschen plagen gegen Bezahlung.»
Ungewöhnlicher Deal
Limun und Pearl wollen Hochzeit halten. Sie lassen sich beim schwulen Hochzeitsplaner Mirko (Goran Jevtic) beraten. Er ist der Lebensgefährte des Tierarztes Radmilo (Milos Samolov), der Limuns Bulldogge nach einer schweren Verletzung behandelt hat. Mirko ist einer der Aktivisten bei der «NGO Toleranz», die im homophoben Belgrad eine Gay-Pride-Parade durchführen wollen. Aber wo kämen wir da hin, so der Tenor in der Verwaltung. Der Polizeichef: «Wenn Homosexuelle Rechte verlangen, tun das Zigeuner und Albaner auch.»
Es kommt zu folgendem Deal: Limun soll an der Schwulen-Demo Mirko und seine Freunde schützen, und im Gegenzug bereitet Mirko ihm und Pearl eine Traumhochzeit. Limuns Kampfsportler wollen von alledem nichts wissen, als er sich seiner alten Kriegs- und Nachkriegsgefährten entsinnt. Zusammen mit Radmilo gehts in dessen rosa Mini Cooper (der immer wieder gern mit Schimpfworten verunziert wird) quer durch das ehemalige Jugoslawien. Der Veteran und der Veterinär stellen eine muntere Freiwilligen-Truppe zusammen: Der Kroate Roko (Goran Navojec), Besitzer einer Beiz (Radmilo rettet dessen Lieblingsesel das Leben), der bosnische Muslim Halil (Dejan Acimovic), Betreiber einer dubiosen Videothek, und der Kosovo-Albaner Azem (Toni Mihajlovski). Dieser hat Greifvögel zu Drogenkurieren abgerichtet und findet bei den US-Armeeangehörigen dankbare Heroin-Abnehmer.
Sie lassen sich alle für die gute Sache gewinnen, den Glorreichen Sieben gleich. An der Demo wird es ziemich brenzlig, nationalistische Hooligans – darunter Limuns Sohn – prügeln sich mit den Demonstranten. Für Mirko endet es tragisch. Im Jahr darauf laufen die Macho-Männer stolz solidarisch mit in der Schwulen-Parade.
Humor als Waffe
Politisch korrekt ist das alles nicht. Aber bei allem ernsten und authentischen Hintergrund ist «Parada» ein irrwitziger, komischer Film. Regisseur und Drehbuchautor Srdjan Gragojevic, von seinem Erststudium her Psychotherapeut, zur Überzeichnung seiner Figuren: «Manche sagen, dass ich in meinen Filmen übertreibe, aber die Realität ist immer verrückter, als sie im Film dargestellt wird. Das Gleiche gilt für die Charaktere in ‹Parada›.» Ob er Humor als Medizin oder Waffe betrachte? «Für mich ist Humor Heilung. Aber auch eine Waffe gegen die stumpfsinnige, mittelmässige Welt, in der wir heute leben.»