Der gerade mal fünf Häuser zählende Weiler Derrière-Pertuis liegt in den neuenburgischen Jurahöhen, 1153 Meter über Meer. Hier in der Region La Montagne spielt der Dokumentarfilm von Regisseur Yves Yersin («Les petites fugues»). Eine Schule, eine Klasse mit 12 Kindern aus vier Familien, zwischen sechs und elf Jahre alt.
Lehrerberuf als Mission
Bei Lehrer Gilbert Hirschi wäre man selber gerne in die Schule gegangen. Er versteht seinen Beruf als Mission. Tag für Tag holt und bringt er seine verstreut lebenden Schulkinder mit dem kleinen Bus von ihrem Zuhause zur Schule und umgekehrt. Hirschi tut es täglich drei Stunden, selbstverständlich und freiwillig.
Seinen lebensnahen und abwechslungsreichen Unterricht bekommt man aus grosser Nähe und in schönen Details mit. Alle Beteiligten bekamen Mikrofone angesteckt, jede Stimme wurde auf einer eigenen Tonspur aufgezeichnet, um den Alltag auch akustisch zu dokumentieren.
Da werden beispielsweise die Erstklässler im Hallenbad getauft. Deutsch lernt man beim Zubereiten eines Fruchtsalats («Ich schneide die Feigen»). Sie malen Bilder von Paul Klee nach, schreiben Briefe an Kinder in Ghana und erfahren, dass bei einem Anagramm die Buchstaben eines Wortes vertauscht sind. Draussen in der Natur gibt es Pflanzenkunde und Instruktionen, wie man die Höhe eines Baumes misst. Man töpfert, fährt Ski, besucht die Käserei (anschliessendes Fondue inklusive), treibt Kühe auf die Weide.
Im Dorf schmeissen die Kinder als Beizer die Festwirtschaft. Das trockene Diktat über das Klöntal und die Geschichte von General Suworow in Glarus finden später zu konkreter Anschauung: Man fährt zusammen ins Klassenlager von der Westschweiz ins Glarnerland, baut am Ufer des Klöntalersees einen Kanal, schlittert im Schlamm rum. Im Kinderzoo in Rapperswil reiten die Schüler auf Elefanten.
Eine beneidenswerte Schulkultur. Und das alles ist dem Untergang geweiht. Yves Yersin hat die Schule während mehr als einem Jahr täglich besucht. Der Zuschauer erlebt das 41. Schuljahr von Lehrer Gilbert Hirschi mit. Es wird sein letztes sein: Die einzigartige «Gesamtschule» namens Ecole Intercommunale de Derrière-Pertuis ist existenziell bedroht. Die Schliessung ist ein politisches Thema in der Region. Ein Referendum zur Rettung nützt nichts: Am Schluss entscheiden sich 52 Prozent der Abstimmenden für das Ende dieser Schule. 32 Stimmen fehlten.
Trauriger Abschluss
Beim finalen Schulanlass herrscht allenthalben grosse Traurigkeit. Lehrer Hirschi hält eine bewegende Rede. Er lässt sich frühpensionieren. Das Schulzimmer, in das am Anfang alle gemeinsam Stühle und Pulte einräumten, wird definitiv entleert. Auch alles Lehrmaterial muss dran glauben – fort damit, in den Abfall, niemand braucht es mehr. Tränen fliessen. Eine kleine Welt ist untergegangen. Schulschluss für immer.
Tableau noir
Regie: Yves Yersin
Ab Do, 13.3., im Kino