Glänzende Kuhrücken, jauchzende Schweinerüssel, gelangweilte Schafe – im Hintergrund die Hochhäuser von Paris. Bauer Jean (Gérard Depardieu) und sein Sohn Bruno (Benoît Poelvoorde) sind wie jedes Jahr mit ihren schönsten Zuchtbullen zur Landwirtschaftsmesse gekommen, einer Olma à la française. Neben Vieh und Traktoren gibt es Wein in rauen Mengen – für Bruno die beste Gelegenheit, sich mal wieder richtig zu besaufen. Ganz zum Missfallen von Jean, der in seinem Sohn den Nachfolger des landwirtschaftlichen Familienbetriebs sieht. Doch Bruno hat genug von der harten Arbeit als Bauer und wünscht sich nichts sehnlicher als eine Freundin: «Wie dumm sind wir, dass wir Rinder züchten», entfährt es ihm, wenn er an die flanierenden Pariser denkt, die in seiner Vorstellung den ganzen Tag nichts tun, trotzdem Geld haben und eine Frau nach der anderen abschleppen.
Die Nacht im «Venusberg» verändert alles
Dass der neue Film von Benoît Delépine und Gustave Kervern nach dem französischen Rebengebiet Saint-Amour benannt ist, liegt nicht nur am Wein: Es geht um die Liebe. Und um die Suche nach ihr, das Verzweifeln an ihrem Fehlen. Als er Bruno nach dem Besäufnis verkatert im Schweinegehege auffindet, beschliesst Vater Jean, ihn auf eine echte «tour de vin» mitzunehmen. Taxifahrer Mike (Vincent Lacoste), auf den ersten Blick ein erfahrener Schürzenjäger, ist bereit, die beiden mehrere Hundert Kilometer durchs Beaujolais zu kutschieren. Peu à peu offenbaren sich die individuellen Nöte und geheimen Träume der drei: So unterschiedlich sie nach aussen scheinen, so gut verstehen sie sich in ihrer Orientierungslosigkeit und der kindlichen Sehnsucht nach Geborgenheit. Auf ihrer Reise begegnen sie schönen, traurigen, einsamen und durchgeknallten Frauen – eine jede bleibt unerreichbar.
Bis die geheimnisvolle Vénus (Céline Sallette) auf dem Pferd auftaucht und die drei in ihrer Baumhaus-Pension mit einer verführerischen Bitte überrascht. Nach einer Nacht im «Venusberg» ist im Leben der Männer nichts mehr, wie es war: Ein jeder wird auf seine Art neu geboren, genährt mit Glück, von Sinn und Tatendrang erfüllt. Anders als Tannhäuser, der nach sieben Jahren überdrüssig wird, wollen die drei sich nie mehr von ihrer Vénus trennen: Zu Hause wartet ein grosser Hof, auf dem nicht nur viele Rinder Platz haben.
«Saint Amour» ist ein sinnliches Märchen, bei dem man dank grossartiger Schauspielkunst oft nicht weiss, ob man vor Lachen oder aus Rührung weint. Eine Hommage an Männer und Frauen – und an die Landwirtschaft.
Saint Amour
Regie: Benoît Delépine & Gustave Kervern
Ab Do, 13.10., im Kino