«Eines Tages schliefen alle Menschen ein, und alle Zäune der Welt gingen in Flammen auf.» Mit diesen Worten startet der Film zu Bildern einer menschenleeren Stadtlandschaft. Die Stimme aus dem Off gehört dem 19-jährigen Erzähler Rá (Carlos Andrés Castañeda). Ihn sieht man später mitten in der Stadt auf einem Schimmel sitzend.
Das weisse Pferd wird im Verlauf des Films wiederholt erscheinen, als geheimnisvolles Traumbild. Rá ist einer der «Könige der Welt», so der übersetzte Filmtitel: der Älteste seiner Clique, die sich auf die Suche nach dem persönlichen gelobten Land begibt – angetrieben von einer trügerischen Hoffnung auf ein besseres Leben.
Der Ort der Verheissung soll ihr eigenes Königreich werden. Ihre grösste Sehnsucht ist ein freier und sicherer Ort, anders, als sie es in ihrer Existenz als obdachlose Strassenjungs mit Gewalt und Armut in der kolumbianischen Millionenstadt Medellín bisher erlebt haben. Sie wollen fort von hier. Ihr Ziel liegt fern von Ungerechtigkeit und Demütigungen, an einem wahren Zuhause, wo Menschlichkeit möglich wird.
Viel Authentizität dank Besetzung mit Laien
Der Ort ist konkret: Rá hat nach dem Tod seiner Grossmutter Anrecht auf ein Haus und ein Stück Land, das die Regierung einst enteignet hatte. Jetzt darf er, wenn er es rechtlich belegen kann, mit der Rückgabe des Grundstücks rechnen. So machen sie sich auf den Weg, auf pedallosen Velos, auf Lastwagen und zu Fuss. Regisseurin und Drehbuchautorin Laura Mora beweist – wie in ihrem Debüt «Killing Jesus» (2017) – eine gute Hand bei der Besetzung ihrer Hauptfiguren mit Laien, die durch ihren sozialen Hintergrund viel Authentisches besitzen.
Die Reise der fünf wechselt von unbekümmert zu bedrohlich, von friedlich zu gewalttätig. Sie selber sind mit Macheten bewaffnet unterwegs – das Leben hat sie Vorsicht gelehrt. Ein paar schöne Momente erleben sie etwa in einem Seniorinnenpuff in der Pampa oder bei einem Aussteiger-Einsiedler.
Zu den wohlwollenden Menschen, denen sie begegnen, kommen allerdings auch üble Gesellen dazu. Auf der einen Seite erleiden sie die gnadenlose Wirklichkeit voller Gewalt, auf der anderen kennt der Film immer wieder Szenen von traumhafter Poesie. Ernüchterung stellt sich allerdings ein, als Rá und zwei verbliebene Mitstreiter endlich ihr Ziel erreichen.
Auf einer kleinen Insel im Fluss
Das Schicksal der Clique entpuppt sich letztlich als überaus tragisch. Am Ende hört man wieder die Stimme von Rá aus dem Off: «Neulich hatte ich einen Traum: dass alle Menschen eingeschlafen sind – ausser uns.» Wenn es auch nur ein flüchtiges Traumbild sein mag: Die Schlussszene zeigt die Jungs, wie sie auf einer kleinen Insel im Fluss treiben – ihr eigenes Königreich.
Los reyes del mundo
Regie: Laura Mora COL 2022, 103 Minuten
Ab Do, 3.8., im Kino