Film: Putin soll es richten
Eindringlich berichtet der Dokfilm «Ostrov» von schwierigen Lebensumständen auf der gleichnamigen Insel im Kaspischen Meer.
Inhalt
Kulturtipp 26/2021
Urs Hangartner
«Wir leben in Ruinen, ohne Strom. Noch schlimmer: Wir haben keine Arbeit. Wir glauben nur an Sie. Bitte helfen Sie uns.» Das sind Zeilen, die der Fischer Iwan im Film seiner Tochter diktiert. Das Schreiben ist an Russlands Präsidenten Wladimir Putin gerichtet.
Iwan lebt in seinem Heimatdorf auf der Insel Ostrov im Kaspischen Meer. Eine Fanglizenz hat er nicht, dennoch geht er bei höchstem Risiko mit seinem Boot aufs Meer hinaus. Dort patrouillier...
«Wir leben in Ruinen, ohne Strom. Noch schlimmer: Wir haben keine Arbeit. Wir glauben nur an Sie. Bitte helfen Sie uns.» Das sind Zeilen, die der Fischer Iwan im Film seiner Tochter diktiert. Das Schreiben ist an Russlands Präsidenten Wladimir Putin gerichtet.
Iwan lebt in seinem Heimatdorf auf der Insel Ostrov im Kaspischen Meer. Eine Fanglizenz hat er nicht, dennoch geht er bei höchstem Risiko mit seinem Boot aufs Meer hinaus. Dort patrouilliert die Küstenwache. Schon zweimal ist Iwan wegen illegaler Stör-Fischerei verhaftet worden. Doch was soll er sonst tun? Er sagt: «Wir sind eine Insel. Das Meer ernährt uns.» Iwan und die kleine Gemeinde gehören zu den «Abgehängten»; sie leben in einer endzeitlich anmutenden Wirklichkeit auf verlorenem Posten auf ihrer Insel, die von der russischen Regierung vergessen wurde. Einst war da eine Militärbasis, ein Krankenhaus, eine Fischfarm und ein Kindergarten. Doch in den 1990ern «fing alles an, auseinanderzufallen».
Ein eigensinniger Menschenschlag
An «Opa Lenin» glauben sie und daran, dass Putin es richten kann. Mit der einstigen Gleichheit in der Sowjetunion sei es vorbei: «Jetzt herrscht wieder Ungleichheit.» Doch Iwan und die Seinen sind Nationalisten geblieben. Alljährlich feiern sie den Tag des Sieges über den Faschismus, sie pflegen das Kriegsdenkmal, in der Schule singt der Chor ein patriotisches Kampflied.
Zwei Jahre lang hat das Schweizer Filmteam Iwan und die Inselbewohner in ihren prekären Lebensumständen begleitet, um Einblicke in eine untergehende Welt zu gewähren. Sie begegnen einem eigensinnigen Menschenschlag und berichten von dem Stück Hoffnung, das noch da ist. Denn nach einem Fernsehauftritt von Putin und dessen Neujahrsansprache könnte es auch für Iwan wieder aufwärtsgehen ...
«Ostrov» wurde beim grössten Dokumentarfilmfestival Hot Docs in Toronto zum besten internationalen Dokumentarfilm gekürt und für die Oscars 2022 eingereicht.
Ostrov – Die verlorene Insel
Regie: Svetlana Rodina, Laurent Stoop
CH 2021, 92 Minuten
Ab Do, 16.12., im Kino