Vom Staatsfeind zum Staatsoberhaupt: Der 80-jährige José Alberto Mujica, genannt Pepe, war fünf Jahre lang Präsident von Uruguay. Als Mitglied der Stadtguerilla-Bewegung Tupamaros kam Pepe 1970, in den finsteren Diktatur-Zeiten, ins Gefängnis. Insgesamt verbrachte er über 14 Jahre hinter Gittern, bis zur Amnestie 1985. Ein Jahrzehnt später wurde er für das linke Parteienbündnis Frente Amplio ins Parlament gewählt. Drei Jahre amtete Mujica als Landwirtschaftsminister – dann die Wahl zum Präsidenten 2010.
Würde ihn das oberste Regierungsamt verändern, politisch und persönlich? Diese Frage stellt Heidi Specogna in ihrem neuen Film. Es ist nicht ihre erste Produkion mit Pepe Mujica. Bereits 1996 kam ihr Film «Tupamaros» heraus, in dem sie ehemalige Kämpfer der Stadtguerilla porträtierte. Darunter eben Pepe und seine langjährige Lebensgefährtin Lucía Topolansky.
Begnadeter Redner
Die beiden meldeten sich später bei der Regisseurin: Ob Heidi Specogna nicht wieder mit der Kamera vorbeikommen wolle, um die Fortsetzung ihrer Geschichte zu erzählen, jetzt, wo Pepe Präsident geworden ist? So entstand mit Material aus den vergangenen Präsidentschaftsjahren der neue Film, in den Specogna auch einige Szenen aus ihrem früheren Werk eingebaut hat.
Pepe sagt im Film: «Wenn ich mich selber beschreiben müsste, würde ich sagen: ein Erdklumpen mit Füssen.» Das heisst: bodenständig, volksverbunden, «geerdet» – und keineswegs abgehoben. Er kennt weder Allüren noch Attitüden. Seinen «Job» musste er erst lernen: «Es gibt Sachen, die kann man erst, wenn man sie erlebt hat; es gibt keinen Lehrgang für Präsidenten.» Faszinierend, als welch begnadeter Redner sich Pepe zeigt. Etwa bei der Einweihung einer Siedlung mit Sozialwohnungen: Er spricht aus dem Stegreif, klar, verständlich, gescheit und einnehmend.
Pepe hat es in seiner Amtszeit unter anderem geschafft, die Armutsgrenze und die Arbeitslosenquote in Uruguay zu senken. Unter Pepes Präsidium wurde das Gesetz zum staatlich kontrollierten Marihuana-Markt verabschiedet, mit dem sich Uruguay gegen die Macht der Drogenkartelle stellt.
Wieder Blumen züchten
Pepe Mujica galt als «der ärmste Präsident der Welt». Im Film lernt man ihn hautnah kennen: ein bescheidener Mensch, der seinen alten Idealen einer gerecht eingerichteten Welt treu geblieben ist. In seiner Präsidialzeit verzichtet er auf den Grossteil des ihm zustehenden Lohns: Er behält nur gerade zehn Prozent, den Rest gibt er an soziale Institutionen weiter. Statt in einem Präsidentenpalast zu residieren, hält er sich am liebsten auf der kleinen, abgelegenen Finca in der Nähe von Montevideo auf. Auf diesem Bauernhof lebt er mit seiner Frau Lucía Topolansky, auch sie Politikerin. In der Scheune stehen zwei alte VW-Käfer, mit denen er selten mal eine Ausfahrt macht.
Die beiden haben vor, nach ihrer Zeit in der Politik zu jener Beschäftigung zurückzukehren, der sie bereits zuvor nachgegangen sind: Blumenzüchten. Die Zeit ist inzwischen gekommen, Pepe ist beim Filmstart bereits nicht mehr Präsident.
Pepe Mujica – El presidente
Regie: Heidi Specogna
Ab Do, 7.5., im Kino