Der Film beginnt mit einem Dialog ohne Bild. Ab welchem Alter muss man einen Tschador tragen? Darf der Hals unbedeckt bleiben? Das ist eine Art Prüfung. Die eine Frau verlangt schliesslich von der anderen, in zwei Wochen noch einmal vorbeizukommen.
Die junge Lehrerin Hanieh, eine Mittzwanzigerin, hat bei einem Amt vorgesprochen. Sie stellt ein Versetzungsgesuch, um an einer anderen Schule zu unterrichten, die weniger weit weg ist. Jetzt muss sie jeden Tag einen langen Anfahrtsweg mit Sammelfrauentaxi und Bus bis zur Schule ausserhalb der Stadt auf sich nehmen.
Strenger Tagesablauf
Zudem hat sie im iranischen Alltag den offenbar verbreiteten Chauvinismus auszuhalten: Die Frauen sind verpflichtet, sich züchtig zu verhüllen. Ein grosses Propagandaplakat preist den Gesichtsschleier an: «Der Niqab bedeutet Schutz, nicht Einschränkung.» Die iranischen Männer dürfen den Frauen ungestraft hinterherpfeifen oder in der Öffentlichkeit Anmachsprüche klopfen.
Hanieh ist erschöpft; sie geht fast schlafwandlerisch-teilnahmslos durchs Leben. Die mühsame Angelegenheit mit dem Versetzungsgesuch zehrt an ihren Kräften. Diese hätte sie an ihrer Arbeitsstelle indes nötig. Denn die ausschliesslich von Mädchen besuchte Primarschule kennt einen strengen Tagesablauf. Selbst die Pausen sind geregelt in fast militärischen Ritualen. Über die Lautsprecher gibt die Rektorin Anweisungen und Propaganda-Reden durch, Schülerinnen beten am Mikrofon vor. Auf dem Schulhofboden sind die Flaggen von Israel und den USA gemalt, damit die Mädchen sie buchstäblich mit Füssen treten können.
Was es erfreulicherweise auch gibt: kleine Zeichen von Widerstand schon bei den Schulmädchen. Heimlich tragen sie sich Nagellack auf oder haben eine «gewagte» Frisur unter dem Kopftuch versteckt, verbotenerweise spielen sie Fussball. Im Schulbus wird zu Popmusik getanzt und lauthals gesungen.
«Paradise» wurde während dreier Jahre heimlich, ohne Bewilligung der iranischen Obrigkeit gefilmt. Inszenierte Bilder erscheinen manchmal quasi-dokumentarisch. Daneben finden sich authentische Aufnahmen von nicht gespielten Szenen. So wurden zufällig gefilmte Personen, die nicht wussten, dass sie Teil eines Drehs waren, unverhofft zu Mitwirkenden in diesem Spielfilm.
Trilogie geplant
Ko-Produzent Yousef Panahi kennt sich aus mit illegalen Filmarbeiten im Iran: Er ist der Bruder und Mitarbeiter des bekannten Regisseurs Jafar Panahi («Taxi Teheran»), eines «Spezialisten» für heimliches Drehen. Yousef Panahi ist auch in einer kleinen Rolle zu sehen: Er spielt einen wiederholt auftauchenden geheimnisvollen Motorradfahrer.
Der Film ist der erste Teil einer von Regisseur Sina Ataeian Dena geplanten Trilogie zum Thema «Gewalt in Teheran».
Paradise
Regie: Sina Ataeian Dena
Ab Do, 4.8., im Kino