Film - Östliche Weisen für den Westen
Er ist der Entdecker und Förderer einer faszinierenden Volksmusik: Marcel Cellier blickt in Stefan Schwieterts «Balkan Melodie» zurück. Der Regisseur begibt sich in den Balkan-Ländern auf aktuelle Spurensuche.
Inhalt
Kulturtipp 05/2012
Urs Hangartner
Sie gingen auf eigene Faust in den Osten, jahrzehntelang, ab den 1950er-Jahren. Was der in Zürich geborene Marcel Cellier mit seiner Frau Catherine hinter dem Eisernen Vorhang entdeckte, war eine tönende Schatzkammer sondergleichen. Ungewohnte und faszinierende Klänge spürten sie auf, um die Schätze mit vielen zu teilen: Marcel Cellier hat zig Radiosendungen zur Musik des Balkans gestaltet. Die von ihm produzierten Schallplatten verkauften sich bestens und machten ein...
Sie gingen auf eigene Faust in den Osten, jahrzehntelang, ab den 1950er-Jahren. Was der in Zürich geborene Marcel Cellier mit seiner Frau Catherine hinter dem Eisernen Vorhang entdeckte, war eine tönende Schatzkammer sondergleichen. Ungewohnte und faszinierende Klänge spürten sie auf, um die Schätze mit vielen zu teilen: Marcel Cellier hat zig Radiosendungen zur Musik des Balkans gestaltet. Die von ihm produzierten Schallplatten verkauften sich bestens und machten einzelne Musiker weltberühmt.
Zu den bekanntesten gehören Gheorghe Zamfir und der Frauenchor Le Mystère des Voix Bulgares. Zamfir wurde im Westen schnell ein Star mit seiner Panflöten-Virtuosität. Ganz spontan war bei Celliers zu Hause am Genfersee 1972 die Idee entstanden, Flöte und Kirchenorgel zusammenzubringen. Cellier organisierte eine Kirche, setzte sich selber an die Orgel, man spielte alles an einem Tag ein – um von der Platte prompt 1,5 Millionen Exemplare zu verkaufen.
Abstruse Ideen
Es kam zum Zerwürfnis zwischen dem Förderer und dem Geförderten. Zamfir wurde immer gieriger. Heute vertritt Zamfir abstruse Ideen. Die Panflöte könne die Welt vor satanischen Klängen bewahren, und «eines Tages werde die rumänische Volksmusik die Grundlage für die Weltmusik sein», ist Zamfir überzeugt.
Archivaufnahmen zeigen, was war, während heutige Aufnahmen den Wandel deutlich machen: Regisseur Stefan Schwietert reist im Film auf den Spuren von Cellier in den heutigen Balkan. Er besucht Musiker, die unter dem Kommunismus einst fest angestellte Staatskünstler waren und sich seither auf dem freien Markt bewähren müssen. Darunter sind welche, die den Sprung in den Westen schafften, wo traditionelle und poppig fusionierte Balkanmusik grossen Anklang findet.
Stefan Schwietert ist mit «Balkan Melodie», reich an Tönen und Bildern, ein schönes Beispiel aktueller Volksmusikgeschichte gelungen.