Ein Lied steht am Ende des Films. Es ist das erste eigene Lied, das die bekannte Sängerin Nardos Wude Tesfaw geschrieben hat. Es besteht aus klagenden, anklagenden und die Frauen ermutigenden Liedzeilen. Eine davon steckt auch im Filmtitel «Stand Up My Beauty» – auf Deutsch: «Erhebe dich, du Schöne».
Der Film der Schweizer Dokfilmerin Heidi Specogna folgt der Sängerin auf ihrem Weg zum Lied. Nardos besucht Frauen und befragt sie nach ihrem Schicksal: ihre Mutter auf dem Land oder eine Strassenhändlerin in der Stadt, die Gedichte schreibt.
Die Sängerin macht Notizen und fügt Zeile um Zeile zum Liedtext. Ihre Mutter, verwitwet, gab die Tochter mit sieben Jahren weg nach Addis Abeba zur Tante. «Musik war das Einzige, was mir Freude und Trost bereitete», sagt Nardos zu jener Zeit. Vorerst verdingt sie sich als Tagelöhnerin auf Baustellen. Ihr «innigster Traum» ist es, Sängerin zu werden. Sie wird ihn sich erfüllen können.
Von starken Frauen und der Kraft der Musik
Nardos hatte Glück, hat aber für ihr Ziel hart gekämpft. Die meisten anderen wurden früh verheiratet, zwangsweise. Das hiess nicht selten auch: Sie wurden von den viel älteren Ehemännern vergewaltigt.
Während der sechs Jahre, in denen Nardos von Heidi Specogna und ihrer Filmcrew begleitet wird, verändert sich die Stadt Addis Abeba rasant. Nardos bekommt zwei Kinder, ihr Mann, selber Musiker, lässt sie im Stich und setzt sich nach Australien ab.
Von den Frauen und ihrer Stärke, von der Kraft der Musik und von der Hoffnung erzählt dieser eindrucksvolle Film, für den der Berner Dichter Jürg Halter die Gedichte und Liedtexte übersetzt hat. Am Ende ertönt der fertige Song, in dem es heisst: «Heute bricht ein neuer Tag an. Aus Unkenntnis wird Erkenntnis. Meine Sonne scheint nun stärker. Die Natur weiss, dass wir Frauen Respekt verdienen. Sieh, deine Tür steht offen, nutze deine Chance.»
Stand Up My Beauty
Regie: Heidi Specogna
CH/D 2021, 110 Minuten
Ab Do, 17.2., im Kino